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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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und befahl, den Ort Schönefeld anzugreifen. Schönefeld wurde von französischen und sächsischen Regimentern unter dem Befehl des Marschalls Ney verteidigt.« Ich suchte Villattes Blick. Villatte, der müde Villatte lächelte: »Wie Sie sehen, Madame, hat der Kaiser seine Elitetruppen Bernadotte entgegengeworfen. Darunter natürlich die Sachsen. Er hat nicht vergessen, dass Bernadotte behauptet hat, die Sachsen stehen wie aus Erz gegossen. Graf von Rosen, wie standen die Sachsen in der Schlacht bei Leipzig?«
    »Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, so würde ich es nicht glauben, Hoheit! So phantastisch war es … Vor Beginn der Schlacht verschwindet Seine Hoheit in seinem Zelt und kommt in der Paradeuniform zum Vorschein.«
    »Nicht in der Felduniform?«
    »Nein. Zum ersten Mal während des ganzen Feldzuges in der Paradeuniform: violetter Samtmantel, der weithin leuchtet, und weiße Straußenfedern auf dem Dreispitz. Nicht genug damit – Seine Hoheit verlangt auch noch einen Schimmel. Dann lässt er zum Angriff blasen und gibt dem Schimmel die Sporen und sprengt geradewegs auf die feindlichen Linien zu. Und zwar in die Richtung der sächsischen Regimenter. Und die Regimenter –« »Die Regimenter stehen wie aus Erz gegossen. Nicht ein Schuss fällt«, lachte Villatte. »Nein, nicht ein Schuss fällt. Brahe und ich galoppieren ihm nach. Dicht vor den Sachsen macht Seine Hoheit Halt. Die Sachsen präsentieren das Gewehr. ›Vive Bernadotte!‹, schreit einer. ›Vive Bernadotte!‹, kommt es im Chor. Seine Hoheit hebt den Kommandostab, wendet den Schimmel, reitet zurück. Hinter ihm marschieren die Sachsen im Parademarsch. Die Regimentsmusik an der Spitze. Zwölftausend Mann mit vierzig Kanonen gingen zu uns über.«
    »Und was hat Jean-Baptiste dazu gesagt?«
    »Seine Hoheit hat ihnen kurz Befehl gegeben, in welche Stellungen ihre Kanonen gebracht werden sollen«, sagte von Rosen. »Während der Schlacht saß Seine Hoheit wieder Stunde um Stunde zu Pferd. Adlercreutz neben ihm wollte ihm von Zeit zu Zeit einen Feldstecher reichen. Seine Hoheit lehnte ab. ›Ich weiß doch alles, ich weiß es … jetzt zieht sich Korps Regnier zurück, lassen Sie sofort Schönefeld besetzen!‹ Und später: ›Ney hat schon zu wenig Munition, seine Artillerie schießt nur noch jede fünfte Minute – die Garde versucht durchzuhalten. Es nützt nichts, die Garde sucht in der Stadt Leipzig Deckung …‹ Als die Nacht anbrach, sagte er plötzlich: ›Der Kaiser ist bei seinem vierten Korps. Sie sehen doch die vielen Wachtfeuer, Adlercreutz? Dort erteilt Napoleon seine Befehlefür die Nachtstellungen.‹ Erst als der letzte Kanonenschuss verstummt war, stieg Seine Hoheit vom Pferd und trat an ein Lagerfeuer und wärmte sich die Hände. Plötzlich verlangte er den dunkelblauen Mantel seiner Felduniform und einen Dreispitz ohne Abzeichen. Außerdem ein ausgeruhtes Pferd. ›Aber ein dunkles‹, fügte er hinzu. Als er das Pferd bestieg, fragte Brahe, ob er Seine Hoheit begleiten dürfe. Seine Hoheit sah ihn so zerstreut an, als ob er ihn noch nie gesehen hätte. ›Fernand kommt mit‹, murmelte er. Brahe war tief verletzt. Fernand ist schließlich nur ein Kammerdiener …«
    »Unsinn, Fernand ist Jean-Baptistes Schulkamerad«, sagte ich. »Jean-Baptiste ist sogar seinetwegen aus der Schule geworfen worden. Aber was geschah in jener Nacht?«
    »Seine Hoheit ritt mit Fernand davon. Ich weiß nicht, wohin. Beide kehrten erst im Morgengrauen zurück. Vorposten haben Seine Hoheit vorüberreiten sehen. Seine Hoheit ist auch einmal abgestiegen und ein Stück zu Fuß weitergegangen. Fernand hat unterdessen die Pferde gehalten. Seine Hoheit hat sich neben einen Gefallenen gesetzt und seinen Kopf in den Schoß genommen. Ein Vorposten hörte ihn zu dem Gefallenen sprechen, aber der Mann war längst tot. Seine Hoheit hat es wahrscheinlich nicht bemerkt. Am nächsten Morgen hat sich der Vorposten den Toten angeschaut. Es war ein Franzose.«
    »Und – am nächsten Tag?«
    »Wir wussten, dass Seine Hoheit den drei anderen Herrschern vorgeschlagen hatte, Leipzig mit seinen Truppen zu stürmen. Der Kaiser von Österreich, der Zar von Russland und der König von Preußen standen jeder für sich auf einem Hügel und sahen durch ihre Feldstecher zu und – mein Gott, wir haben es geschafft!«
    Villatte stützte den Kopf in die Hand. »Bernadotte hatan der Spitze seiner Truppen das so genannte Grimmaische Stadttor von Leipzig gestürmt.

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