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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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wenn das Volk Sie belästigen sollte, dann müssen Sie sofort bei Ihrer Schwester Julie Zuflucht suchen. Versprechen Sie mir das?«
    »Ja, natürlich. Und umgekehrt.«
    »Was heißt das – umgekehrt.«
    »Dass mein Haus Julie immer offen steht. Deshalb bleibe ich doch hier.«
    »Du rechnest also mit meiner Niederlage, Eugénie?« Er trat ganz nahe an mich heran. »Deine Veilchen duften betäubend. Ich sollte dich ausweisen lassen, du erzählst wahrscheinlich allen Leuten, dass der Kaiser geschlagen werden wird. Außerdem gefällt es mir nicht, dass du mit dem langen Schweden spazieren fährst.«
    »Der ist doch mein Adjutant, ich muss ihn immer mitnehmen!«
    »Deiner seligen Mama wäre es trotzdem nicht recht. Und deinem strengen Bruder Etienne …«
    Er suchte meine Hand und legte sie an seine Wange. »Heute sind Sie wenigstens rasiert, Sire«, sagte ich und entzog ihm meine Hand. »Wie schade, dass du mit Bernadotte verheiratet bist«, murmelte er. Schnell tastete ich mich zur Tür zurück. »Eugénie!«
    Aber ich stand schon in der Halle des großen Arbeitszimmers. Die Herren saßen rund um den Schreibtisch und tranken Likör. Talleyrand schien gerade einen Witz gemacht zu haben, denn Menevall Caulaincourt und mein Schwede schüttelten sich vor Lachen. »Lassen Sie unsmitlachen, meine Herren«, verlangte der Kaiser. »Wir sprachen gerade davon, dass der Senat die Aushebung von 250 000 Rekruten für die neue Armee bewilligt hat«, sagte Meneval und platzte beinahe vor Lachen. »Und dass es sich dabei um zwei Jahrgänge handelt, die zu früh einberufen werden, die Jahrgänge 1814 und 1815, reine Kinder –«, fuhr Caulaincourt fort. »Da hat der Fürst von Benevent erklärt, dass nächstes Jahr zumindest einen Tag lang Waffenstillstand herrschen muss, damit die neue Armee Eurer Majestät gefirmt und konfirmiert werden kann.« Der Kaiser lachte auch. Es klang nicht ganz echt. Die Rekruten sind in Oscars Alter. »Das ist nicht komisch, sondern traurig«, sagte ich und verneigte mich zum letzten Mal. Diesmal begleitete mich der Kaiser bis zur Tür. Wir sprachen kein Wort mehr miteinander.
    Auf der Rückfahrt fragte ich von Rosen, ob der Zar wirklich Jean-Baptiste die französische Krone angeboten habe. »Das ist offenes Geheimnis in Schweden. Weiß der Kaiser davon?« Ich nickte. »Worüber hat er sonst gesprochen?«, kam es schüchtern. Ich dachte nach. Plötzlich riss ich meinen Veilchenstrauß vom Ausschnitt und warf ihn aus dem Wagen. »Über Veilchen, Graf – nur über Veilchen.« Noch am selben Abend wurde ein Päckchen aus den Tuilerien bei mir abgegeben. Der Lakai sagte, es sei für den Kronprinzen von Schweden bestimmt. Ich machte es auf und fand ein abgenagtes Holzklötzchen darin. Grün mit fünf Zacken. Wenn ich Jean-Baptiste wieder sehe, werde ich es ihm geben.

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    Paris, im Sommer 1813.
    D er Kutscher hat Pierre in den Garten getragen. Ich sitze am Fenster und beobachte Marie, die ihrem Sohn ein Glas Limonade bringt. Um die Rosenstöcke summen Bienen. Auch die Marschtritte der Regimenter, die auf der Straße vorüberziehen, höre ich. Im Takt, immer im gleichen Takt … Napoleon hat seine Goldbarren, die er in den Kellern der Tuilerien versteckt gehalten hat und die hundertvierzig Millionen Francs wert sein sollen, einschmelzen lassen, um seine neuen Regimenter auszurüsten. Wie komisch, dass ich ihm einmal mein aufgespartes Taschengeld borgen musste. Hundertvierzig Millionen … Ich wollte ihm damals so gern eine richtige Generalsuniform kaufen. Das ist natürlich schon sehr lange her. Inzwischen sind Frankreichs Söhne in Russland umgekommen, und Frankreichs Kinder, Jahrgang 1814 und 1815, marschieren. Ein großer Teil von ihnen wurde in neu gebildete Garderegimenter eingereiht, der Kaiser nimmt an, dass jeder Bub in Frankreich davon träumt, zur Garde zu gehören. Aber weil man mit Kindern, die noch nie ein Manöver mitgemacht haben, nicht Schlachten schlagen kann, hat der Kaiser einfach alle Artilleristen der Marine als Fußvolk einberufen. An der Elbe werden die letzten Pferde gesammelt, die man noch in den Ställen der Bauern findet, und vor Kanonen und Wagen gespannt. Wo nimmt er eigentlich die Pferde für die Kavallerie her? Jede Stadt Frankreichs hat den Befehl erhalten, dem Kaiser eine Kompanie Freiwillige zu stellen. Paris hat sogar ein ganzes Regiment ausgerüstet. Zehntausend Gardisten haben ihre Ausstattung selbst bezahlt. Und die Gendarmerie schickt dreitausend Mann als

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