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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Wir hatten starke Infanteriestellungen vor dem Tor, aber Bernadotte ließ seinen Angriff durch schwere Artillerie decken. Dann sprengte er selbst mit seinen schwedischen Dragonern heran, unsere Infanterie warf sich entgegen und zerfleischte mit ihren Bajonetten die Bäuche der Pferde. Da kämpften die Schweden mit dem Säbel in der Faust zu Fuß weiter, Madame, es war ein Schlachten, wie ich es noch nie gesehen habe. Mann gegen Mann. Bernadotte auf seinem Schimmel immer inmitten des Knäuels, der weiße Federbusch weithin sichtbar, den Säbel –«
    »Den Säbel –?«
    »In der Scheide. Er hielt nur den Feldherrnstab in der Hand.«
    »Danke, Villatte!«
    »Schließlich wichen die Franzosen zurück – fluchtartig sogar«, sagte von Rosen. »Nein, wir bekamen Befehl zum Rückzug. Wir haben innerhalb von fünf Tagen zweihundertzwanzigtausend Kanonenschüsse abgefeuert und verfügten nur noch über Munition für weitere sechzehntausend. Nur deshalb gab der Kaiser den Befehl zum Rückzug«, sagte Villatte scharf. »Beim Sturm auf das Stadttor habe ich überhaupt keine Kanonen gesehen. Nur Infanterie. Und die haben wir zurückgetrieben«, triumphierte von Rosen. »Die Infanterie, die Sie beim Grimmaischen Tor gesehen haben, sollte nur den Rückzug decken«, erklärte Villatte ruhig. »Der Kaiser –«
    »Ihr Kaiser ist durch das Westtor geflohen, als Seine Hoheit in Leipzig einrückte«, schrie ihn von Rosen an. »Die letzten sechzehntausend Kanonenschüsse sind gegen Bernadottes Truppen abgefeuert worden. Bernadotte hat Leipzig mit sechsundachtzig Bataillonen Infanterie und neununddreißig Kavallerieregimentern im Sturmgenommen.« Von Rosen war überrascht. »Woher wissen Sie das so genau, Oberst Villatte?« Villatte zuckte die Achseln. »Darf ich mir noch Kaffee nehmen?« »Der Topf steht auf dem Herd, Oberst. Und nachher, Graf von Rosen, nachher?«
    »Nachher ist Seine Hoheit auf den Marktplatz von Leipzig geritten und hat gewartet. Auf die anderen drei Herrscher nämlich. Er hatte ihnen in Trachtenberg vorausgesagt, er würde sie auf dem Marktplatz von Leipzig wieder sehen und – ja, da saß er nun auf seinem Schimmel und wartete … Zufällig wurden die französischen Gefangenen vorübergeführt. Seine Hoheit hielt die Augen halb geschlossen, ich dachte, er sieht sich die Gefangenen gar nicht an. Aber plötzlich hob er den Kommandostab und zeigte auf einen Oberst: Villatte, kommen Sie her, Villatte!«
    »Ich trat aus der Reihe. So haben wir einander wieder gesehen, Madame. ›Villatte, was machen Sie denn hier?‹, fragte er mich. – ›Ich verteidige Frankreich, Herr Marschall‹, antwortete ich und nannte ihn absichtlich sehr laut Herr Marschall. – ›Dann muss ich Ihnen leider sagen, dass Sie Frankreich sehr schlecht verteidigen, Villatte‹, sagte Bernadotte. ›Übrigens habe ich erwartet, dass Sie bei meiner Frau in Paris bleiben werden.‹ – ›Die Marschallin selbst hat mich an die Front geschickt.‹ – Da schwieg er. Ich stand neben seinem Pferd und sah zu, wie meine gefangenen Kameraden vorübermarschierten. Schließlich dachte ich, er habe mich vergessen, und wollte mich ihnen anschließen. Aber sowie ich mich rührte, beugte sich Bernadotte vom Pferd und hielt mich an der Schulter fest: ›Oberst Villatte, Sie sind Kriegsgefangener. Ich befehle Ihnen, unverzüglich nach Paris zurückzukehren und im Haus meiner Frau Aufenthalt zu nehmen. Geben Sie mir Ihr Ehrenwort als französischer Offizier, dass Sie meine Frau nicht verlassen werden bis –‹«
    »Bis –?«
    »›Bis ich selbst komme‹. Das sind seine Worte. Ich habe ihm mein Ehrenwort gegeben.« Ich senkte den Kopf. Hörte von Rosens Stimme. »– und dann wandte sich Seine Hoheit zu mir: ›Und da haben wir den zweiten treuen Adjutanten meiner Frau! Graf von Rosen, Sie werden Oberst Villatte auf seinem Ritt nach Paris begleiten.‹ – ›In schwedischer Uniform?‹, fragte ich entsetzt. ›Schließlich sind die Verbündeten noch nicht in Frankreich einmarschiert.‹ Seine Hoheit sah Villatte an: ›Oberst, Sie bürgen mir dafür, dass von Rosen wohlbehalten in Paris ankommt und dass ihm die dortigen Behörden Asylrecht im Haus meiner Frau gewähren. Von Rosen, Sie dagegen passen mir auf unseren Kriegsgefangenen auf!‹« Mir kam das Ganze sehr verwirrt vor. »Wer hält eigentlich wen gefangen?« Das überhörten beide. Jetzt sprach wieder Villatte. »›Dann muss ich ihm eine französische Uniform anziehen, sonst bringe ich ihn nicht

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