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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Beschäftigung verschaffen, das ist das Wichtigste, eine regelmäßige Beschäftigung. »Haben Sie etwas gesagt, Exzellenz?« »Nur, dass der Tag nicht mehr fern ist, an dem ich mit meiner Bitte an Sie herantreten werde«, sagte Talleyrand und stand auf. »Grüßen Sie meine Schwester, wenn Sie sie sehen, Exzellenz. Julie kann mich leider nicht mehr besuchen. König Joseph hat ihr mein Haus verboten.« Er zog die schmalen Augenbrauen in die Höhe. »Ich vermisse auch Ihre beiden treuen Adjutanten, Hoheit.«
    »Oberst Villatte ist längst eingerückt, er hat schon den russischen Feldzug mitgemacht. Und Graf von Rosen –«
    »Der lange blonde Schwede, ich entsinne mich –«
    »– hat mir vor ein paar Tagen gestanden, dass er sich als schwedischer Adelsmann verpflichtet fühlt, an der Seite seines Kronprinzen zu kämpfen.«
    »Unsinn, er ist nur auf den Grafen Brahe eifersüchtig, den Personaladjutanten«, mischte sich Madame La Flotte ein. »Nein, er hat es ernst gemeint. Die Schweden sind ein sehr ernstes Volk, Madame. ›Reiten Sie mit Gott und kommen Sie gesund wieder‹, habe ich ihm gesagt. Dasselbe wie einst zu Villatte. Sie haben Recht, Exzellenz – ich bin sehr einsam.« Ich sah ihm nach, während er davonhinkte.Talleyrand hinkt so graziös, so elegant. Gleichzeitig beschloss ich, Pierre mit der Verwaltung meiner Gelder und der Führung meines Haushaltes zu betrauen. Ich glaube, das ist eine gute Idee.

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    Paris, im November 1813.
    N achts wird jede Angst riesengroß, weil man mit ihr allein ist. Jedes Mal, wenn ich einschlafe, habe ich denselben Traum. Jean-Baptiste reitet einsam über ein Schlachtfeld. Und zwar über ein Feld vierzehn Tage nach einer Schlacht, wie ich es auf der Fahrt nach Marienburg gesehen habe. Lose Hügel, tote Pferde mit aufgeblähten Leibern. Und tiefe Erdlöcher nach Kanonenschüssen, die den Grund zerrissen haben. Jean-Baptiste reitet auf einem Schimmel, den ich von so vielen Paraden her kenne. Er hängt vornübergebeugt im Sattel. Ich kann sein Gesicht nicht sehen. Aber ich spüre, dass er weint. Das weiße Pferd stolpert über die frischen Erdhügel und strauchelt, und Jean-Baptiste sinkt noch mehr zusammen und richtet sich nicht auf. Seit über einer Woche ist in Paris das Gerücht verbreitet, dass bei Leipzig eine entscheidende Schlacht geschlagen wird. Niemand weiß Näheres. Beim Bäcker sagen sie, dass alles von dieser einen Schlacht abhängt, berichtete mir Marie. Woher wissen die Frauen, die beim Bäcker einkaufen, was vorgeht? Aber vielleicht liegen sie auch schlaflos in ihren Betten oder werden von Träumen aufgeschreckt. Deshalb habe ich auch zuerst geglaubt, dass ich von den Pferden, die ich hörte, nur geträumt habe. Ich öffnete die Augen, mein Nachtlicht war beinahe niedergebrannt, nur undeutlich sah ich die Zeiger auf der Uhr: halb fünf Uhr früh. Ein Pferd wieherte. Ich richtete mich auf und lauschte. Dann wurde vorsichtig am Haustor gepocht. So vorsichtig, dass ich überzeugt davon war, dass es niemand hörte. Ich stand auf und nahm meinen Schlafrock um. Ging die Stiegen hinunter, in der Vorhalle verlöschte mein Nachtlicht. Da pochte es wieder – vorsichtig, um niemanden zu erschrecken. »Wer da?«, fragte ich. »Villatte«, undbeinahe gleichzeitig: »Von Rosen.« Ich schob den schweren Riegel zurück. Im Schein der großen Laterne, die über dem Haustor hängt, unterschied ich zwei Gestalten. »Um Gottes willen – woher kommen Sie?«
    »Aus Leipzig«, sagte Villatte. »Wir bringen Grüße von Seiner Hoheit«, fügte von Rosen hinzu. Ich trat in die Halle zurück und zog fröstelnd den Schlafrock zusammen. Von Rosen tastete sich zu einem der Kandelaber durch und zündete eine Kerze an. Villatte war verschwunden, wahrscheinlich brachte er die Pferde in den Stall. Von Rosen trug Mantel und Bärenfellmütze eines französischen Grenadiers. »Eine seltsame Uniform für einen schwedischen Dragoner«, bemerkte ich. »Unsere Truppen stehen doch noch nicht in Frankreich. Seine Hoheit hat mich mit diesem komischen Mantel und dieser lächerlichen Mütze hierher geschickt, damit ich ohne Schwierigkeiten durchkomme.« Ich zuckte zusammen. »Finden Sie die Bärenfellmütze der Grenadiere wirklich so lächerlich?« In diesem Augenblick kehrte Villatte zurück. »Wir sind Tag und Nacht geritten«, murmelte er. Sein Gesicht war ausgemergelt und erschöpft, die Bartstoppeln ließen es bläulich erscheinen. Und zusammenhanglos: »Übrigens – die

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