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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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niederbrennen wollen. Dass die Preußen schon vor Wochen mit dem Feldruf »Nach Paris! Nach Paris!« den Rhein überschritten haben. Natürlich versucht Napoleon, die Verbündeten aufzuhalten. Hier in Paris wissen wir wenig über seine Schlachten. Der »Moniteur« meldet ununterbrochen Siege, bald hier, bald dort. Aber wir lesen den »Moniteur« nicht mehr. Jetzt donnern die Kanonen vor Paris. Unsere Kanonen? Österreichische, preußische, russische? Meine Tage sind bis zum Rand mit Warten ausgefüllt. Ich weiß nicht mehr, wo sich Jean-Baptiste befindet. Weiß nur, dass er kommen wird. Heute Nacht, morgen Nacht. SeinZimmer ist bereit … Briefe bekomme ich schon lange nicht mehr, weder von ihm noch von Oscar. Deutschland und Frankreich liegen zwischen uns, die aufgerissene Erde eines einzigen großen Schlachtfeldes. Ab und zu wird ein Zettel zu uns durchgeschmuggelt. So haben wir erfahren, dass sich Jean-Baptiste nach der Schlacht bei Leipzig geweigert hat, die französischen Truppen über den Rhein zu verfolgen. Glatt geweigert. Dass er von allen seinen Truppen nur seine 30000 Schweden bei sich behielt und mit ihnen nordwärts marschierte. Dass er durch Hannover zog und wahrscheinlich Erinnerungen auffrischte. Gehöre ich zu deinen Erinnerungen, Jean-Baptiste? Und Monsieur Beethoven und seine zerschlagene Hoffnung? Der Kanzler Wetterstedt begleitet ihn und der schwedische Generalstab, alle versuchen, ihm zu erklären, dass die Verbündeten nur eines von ihm erwarten, nur eines fordern: den Übergang über den Rhein. Da diktiert Jean-Baptiste einen Brief an den Zaren und fordert, dass Frankreichs Grenzen respektiert werden. Frankreich sei nicht Napoleon. Und Napoleon bereits geschlagen. Die Preußen, die Russen, die Österreicher marschieren in Frankreich ein. Jean-Baptiste führt unterdessen seinen eigenen Krieg … – Der Kanonendonner kommt näher. Ob Marmont Paris halten wird? Das Korps Marmont verteidigt die Stadt. Marmont wollte mich einmal heiraten. Was hat nur Napoleon damals in Marseille über ihn gesagt? Marmont: intelligent, will mit mir zusammen Karriere machen. Nein, Marmont wird Paris nicht halten, zumindest nicht für Napoleon … Jean-Baptiste marschiert mit seinen Schweden gegen Dänemark. Schließlich hatte Napoleon die Dänen im September gezwungen, den Schweden den Krieg zu erklären. Ungern, sehr ungern haben sich die Dänen dazu hergegeben. Aber ihr König Frederik VI. hielt eigensinnig an seiner Allianz mit Frankreich fest. Warum nur? Ich versuchte, mich andiesen Frederik, den ich nur ein einziges Mal gesehen habe, zu erinnern. Der Sohn eines wahnsinnigen Christian und einer schönen Engländerin, die Karoline Mathilde hieß und ihren Staatsminister liebte. Der Staatsminister ist um dieser Liebe willen geköpft worden. Der Sohn nennt niemals den Namen seiner Mutter. Der Sohn hält zu Napoleon, um ihr englisches Vaterland zu strafen, der Sohn – der Sohn muss seine Mutter sehr geliebt haben und sehr eifersüchtig auf ihr bisschen Glück gewesen sein. Wie seltsam, dass Söhne so leicht ihre Mütter verurteilen. Die Fensterscheiben klirren, die Kanonen sind sehr nahe. Weiterschreiben, nur nicht an Jean-Baptiste denken … Jean-Baptiste führt seinen privaten Krieg und rückt in Schleswig vor. Kämpft, beinahe im Parademarsch. Von Kiel aus sendet er dem dänischen König ein Ultimatum. Jean-Baptiste verlangt die Abtretung von Norwegen an Schweden und bietet eine Million Reichstaler als Entschädigung. Von Kiel aus hat uns ein an den Grafen von Rosen durchgeschmuggelter Zettel erreicht. Dänemark hat Norwegen mit Ausnahme von Grönland, den Färöer-Inseln und Island an Schweden abgetreten. Die Million Taler dagegen hat der dänische König empört abgelehnt. Die Norweger werden nicht verkauft! »Kronprinzessin von Schweden und Norwegen«, sagte damals Graf von Rosen nachdenklich zu mir. Ich nahm eine Landkarte und schaute mir Norwegen an. »Und Grönland?«, fragte ich dann. Von Rosen wies auf einen großen weißen Fleck auf der Karte. »Lauter Schnee und Eis, Hoheit.« Ich bin so froh, dass die Dänen wenigstens Grönland behalten haben. Jean-Baptiste ist imstande, mich auf einem weißen Fleck auf der Landkarte wohnen zu lassen … Aber ich schreibe doch alles nur auf, um meiner Angst davonzulaufen. Jean-Baptiste ist doch nicht mehr in Kiel. Jean-Baptiste ist – ich weiß nicht, wo er ist. Verschwunden, seit drei Wochen verschwunden.Schließlich hat er dem Drängen der Verbündeten nachgegeben

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