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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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schluckte, mein Mund war so trocken. »Julie, du bist keine Königin mehr. Sondern nur Julie Bonaparte, geborene Clary. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger!« Etwas klirrte. Die kleine Krone war ihr aus der Hand gefallen. Dann warf sie hinter sich die Tür zu. Ich presste die Augen vor Kopfweh zusammen. Yvette setzte die Ohrgehänge der Königinmutter von Schweden in meine Ohren. »Man hat mich den ganzen Tag über gefragt, wo du bist«, bemerkte Marie und zog mich in die Höhe. »Was hast du geantwortet?«
    »Gar nichts. Du bist sehr lange ausgeblieben!«
    »Ich habe den Prokuristen herumgeschickt, um Außenstände einzutreiben. Unterdessen musste ich die Kunden bedienen.« Schlafrock ausziehen, ins violette Samtkleid schlüpfen, niedersetzen. »Noch fünf Minuten«, sagte Marie. Yvette begann meine Locken mit einem rosa Band aufzubinden. Marie fragte: »Wie geht das Geschäft?«
    »Blühend. Satin und Musselin für die neuen Hoftoiletten der alten Marschallinnen. Gib mir noch ein Glas Kognak, Marie!« Wortlos schenkte sie ein. Wortlos goss ich das Zeug hinunter. Es brannte, aber ganz angenehm … ich schaute in den Spiegel. Meine Augen wirkten unnatürlich groß unter den goldenen Lidern. Vielleicht sollte ich die blauen Schatten darunter überpudern? Als ich das Kleid zum letzten Mal trug, steckte ich Veilchen an. Schade,heute habe ich keine … »Übrigens sind Blumen für dich abgegeben worden, Eugénie. Veilchen. Sie stehen auf dem Kamin im kleinen Salon. Jetzt musst du hinuntergehen!« Ich weiß nicht, ob der Kognak oder meine Müdigkeit daran schuld waren – jedenfalls schwebte ich wie im Traum die Treppen hinunter. Unten in der Halle waren sie alle aufgestellt. Marceline in einer Balltoilette, die Julie gehörte. Mein Neffe, der General, in gut gebürsteter Paradeuniform. Die La Flotte in ihrem besten Kleid. Julies Töchter mit Purpurschleifen im Haar. Die kleinen Söhne von Hortense. Graf von Rosen in schwedischer Galauniform mit leuchtender Adjutantenschärpe. Im Hintergrund Oberst Villatte in seiner abgetragenen Felduniform. Als ich, ohne über meine Schleppe zu stolpern, unten angelangt war, schob er sich vor. »Hoheit, ich bitte mich während des Besuches des Zaren zu entschuldigen. Ich werde Hoheit diese Gnade niemals vergessen.« Ich nickte zerstreut und sah dann von einem zum anderen. »Ich bitte alle, sich in den großen Salon zu begeben. Ich werde nämlich den Zaren im kleinen Salon empfangen.« Warum starren sie mich so erstaunt an? »Graf von Rosen, ich sehe, Sie haben sich eine Adjutantenuniform beschafft.«
    »Seine Hoheit hat sie mir durch einen russischen Offizier geschickt.« Jean-Baptiste denkt an alles … »Sie werden mich in den kleinen Salon begleiten, Graf!«
    »Und wir –?«, entfuhr es Marceline. Ich stand schon an der Tür. »Ich möchte keinem Franzosen zumuten, dem Herrscher einer verbündeten Macht vorgestellt zu werden, bevor Friede zwischen Frankreich und den Alliierten geschlossen wurde. Meines Wissens hat der Kaiser erst heute abgedankt.« Marius wurde rot. Marceline schüttelte verständnislos den Kopf. Die La Flotte biss sich auf die Lippen. Die Kinder riefen: »Dürfen wir wenigstens durchs Schlüsselloch schauen?« Der kleine Salon war tadellos inOrdnung. Auf dem Tischchen vor dem Spiegel Champagner, Gläser, Konfekt. Auf dem Kamin ein silberner Korb mit Veilchen – sie waren armselig klein und verwelkt – und ein versiegelter Briefumschlag. Da – Trompeten und Pferdegetrappel. Der Zar lässt sich natürlich von einer Leibgarde begleiten. Ein Wagen hielt. Ich stand steif aufgerichtet in der Mitte des Raumes. Die Tür flog auf: eine blütenweiße Uniform, funkelnde Goldepauletten, ein Riese mit einem runden Knabengesicht, blonden Locken und unbeschwertem Lächeln. Und nach ihm, gleich nach ihm – Talleyrand. Hinter den beiden wimmelte es von fremden Uniformen. Ich verneigte mich und reichte dem blonden Riesen die Hand zum Kuss. »Hoheit, es ist mir ein Herzensbedürfnis, der Gattin jenes Mannes, der so viel zur Befreiung Europas beigetragen hat, meine Aufwartung zu machen«, sagte der Zar. Meine beiden Diener schlichen lautlos herum und boten Champagnerkelche an. Der Zar setzte sich mit mir auf das kleine Sofa. Im Fauteuil gegenüber der bestickte Frack des Herrn von Talleyrand. »Der Fürst von Benevent hatte die Güte, mir sein Haus zur Verfügung zu stellen«, lächelte der Zar. Trägt er immer eine blütenweiße Uniform? Auch in der Schlacht? Unsinn, der Zar ist

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