Désirée
Plötzlich fiel mir etwas ein, und ich wurde sehr zornig. »Sire –« Er beugte sich zu mir nieder. »Liebe verehrte Cousine?« – »Sire, Sie haben meinem Mann nicht nur die französische Königskrone angeboten. Sondern auch die Hand einer Großfürstin.«
»Man sagt, dass Wände Ohren haben. Aber dass sogar die dicken Schlossmauern von Abo welche besitzen…« Er lachte. »Wissen Sie, was mir Ihr Gemahl geantwortet hat, Hoheit?« Ich sagte nichts. War auch nicht mehr zornig, nur schrecklich müde. »Ich bin doch schon verheiratet, hat mir der Kronprinz erwidert. Daraufhin wurde das Thema nie wieder berührt. Sind Sie jetzt beruhigt, Hoheit?«
»Ich war nicht beunruhigt, Sire. Zumindest nicht – in dieser Beziehung. Trinken Sie noch ein Glas, mein lieber – Cousin?« Talleyrand tauchte auf, Talleyrand reichte uns Gläser, Talleyrand ließ uns keine Sekunde mehr allein. »Wenn ich etwas in diesen Tagen für Sie tun könnte, meine liebe Cousine, so würden Sie mich sehr glücklich machen«, sagte der Zar eifrig.
»Sie sind sehr gütig, Sire, aber ich brauche nichts.«
»Vielleicht eine Ehrenwache von russischen Gardeoffizieren?«
»Um Gottes willen – nur das nicht!«, entfuhr es mir. Talleyrand lächelte spöttisch. »Ich verstehe«, sagte der Zar ernst. »Natürlich – ich verstehe, liebste Cousine.« Er beugte sich über meine Hand. »Wenn ich früher die Ehre Ihrer Bekanntschaft gehabt hätte, so würde ich dem Kronprinzen jenen Vorschlag niemals gemacht haben, Hoheit. Ich meine natürlich den Vorschlag in Abo.«
»Aber Sie haben es doch nur gut gemeint, Sire«, tröstete ich ihn. »Die Damen meiner Familie, die in Frage kämen, sind leider sehr unhübsch. Sie dagegen, liebe – sehr liebe Cousine –« Das Ende des Satzes ging in Sporenklirrenüber. Die Tür hatte sich hinter meinem hohen Gast und seinen Herren längst geschlossen. Aber ich stand noch immer bewegungslos in der Mitte des Salons. Nur weil ich zu müde war, mich zu rühren. Ich sah den Raum an, den der Zar soeben verlassen hatte, und dachte an Moreau, der aus Amerika gekommen war, um für Frankreichs Freiheit zu kämpfen. Die weißen Fahnen hat er nicht mehr erlebt, die weißen Kokarden … Die Diener begannen die leeren Champagnergläser hinauszutragen. Mein Blick fiel wieder auf die verwelkten Veilchen. »Graf von Rosen, woher kommen die Blumen?« »Die hat Caulaincourt abgegeben. Er kam gerade aus Fontainebleau und war auf dem Weg zu Talleyrand, um die unterschriebene Abdankungsurkunde zu überreichen.« Ich trat an den Kamin. In Fontainebleau blühen so viele Veilchen. Der versiegelte Brief trug keine Anschrift. Ich riss ihn auf. Ein leeres Blatt, auf das ein einziger Buchstabe gekritzelt war. Ein N. Ich griff in den silbernen Korb und hielt eine Hand voll der verwelkten Veilchen an mein Gesicht. Sie dufteten sehr süß, sehr lebendig und waren doch schon halb gestorben. »Hoheit – ich bitte um Verzeihung, dass ich Hoheit damit belästige –«, stotterte von Rosen hinter mir. »Seine Hoheit hat bisher immer irgendeine Möglichkeit gefunden, mir meine Gage zukommen zu lassen. Aber jetzt habe ich seit Wochen kein Geld mehr erhalten, und einige dringende Anschaffungen zwingen mich –« »Pierre – ich meine, mein Haushofmeister wird Ihnen sofort Ihre Gage auszahlen.« – »Bitte Hoheit, nur wenn es Hoheit keine Ungelegenheiten bereitet, Hoheit haben doch selbst seit langer Zeit keine Möglichkeit mehr gehabt, Revenüen zu beziehen.« – »Natürlich nicht. Ich bin heute so müde. Ich habe den ganzen Tag gearbeitet, um Geld für den Haushalt zu verdienen.«
»Hoheit –!« Er starrte mich entsetzt an. »Sie brauchen nicht zu erschrecken, ich habe Seidenwaren verkauft.Nichts Ehrenrühriges, Herr Graf. Man misst ein paar Meter Satin und ein paar Meter Musselin und etwas Samt von einer Rolle ab, schneidet den Stoff durch, packt die Waren ein, zählt das Geld nach. Sie wissen doch, dass ich eine Seidenhändlerstochter bin!« »Man hätte Hoheit jeden beliebigen Betrag geliehen«, kam es empört. »Bestimmt, Graf von Rosen. Aber mein hoher Gemahl hat eben erst die Auslandsschulden des Hauses Vasa mit seinen Ersparnissen bezahlt. Ich möchte nicht mit den Schulden der Familie Bernadotte beginnen. Und jetzt, lieber Graf, gute Nacht, entschuldigen Sie mich bei meinen Gästen und bitten Sie Königin Julie, mich bei Tisch zu vertreten. Ich hoffe, der Kalbsbraten wird allen gut schmecken!« Am Fuß der Treppe erwartete mich Marie. Sie nahm
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