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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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doch kein Heerführer, sondern ein feiner Mann, der hoch zu Ross in seinem Hauptquartier auf Siegesnachrichten wartet. Nur Jean-Baptiste ist Fürst und Feldherr zugleich, deshalb haben sie ihn bei Leipzig die blutige Arbeit verrichten lassen, deshalb haben sie ihm bei Leipzig das Herz gebrochen … Ich trank Champagner und lächelte. »Ich bedauere unendlich, dass der Gemahl Eurer Hoheit nicht an meiner Seite in Paris eingezogen ist.« Die blauen Augen waren plötzlich schmal. »Ich hatte damit gerechnet. Wir haben, während unsere Truppen über den Rhein gingen, eine Menge Briefe gewechselt. Eine kleine Meinungsverschiedenheit über die künftigen Grenzen Frankreichs …« Ich lächelte und trankChampagner. »Es wäre mir lieb gewesen, wenn Seine Hoheit an den Beratungen über die neue Staatsform Frankreichs teilgenommen hätte. Schließlich ist Seine Hoheit besser über die Wünsche des französischen Volkes informiert als ich – oder Unsere teuren Cousins, der Kaiser von Österreich und der König von Preußen. Auch machen sich bei den einzelnen Herrschern und ihren Ratgebern verschiedene – nun, sagen wir verschiedene Interessen geltend.« Er leerte sein Glas mit einem Schluck und hielt es geistesabwesend einem Adjutanten hin. Der Adjutant füllte es wieder. Keiner meiner Diener durfte in seine Nähe treten. Ich lächelte weiter. »Ich erwarte mit Ungeduld die Ankunft Ihres Gemahls, Hoheit. Vielleicht wissen Hoheit, wann ich den Kronprinzen erwarten darf?« Ich schüttelte den Kopf und trank Champagner. »Die provisorische Regierung Frankreichs unter dem Vorsitz unseres Freundes, des Fürsten von Benevent –« Er hob sein Glas Talleyrand entgegen. Talleyrand verneigte sich – »Diese provisorische Regierung hat Uns wissen lassen, dass sich Frankreich nach der Rückkehr der Bourbonen sehnt. Und dass nur die Restauration den inneren Frieden sichern kann. Mich persönlich überrascht diese Anschauung sehr. Wie denken denn Eure Hoheit darüber?«
    »Ich verstehe nichts von Politik, Sire.«
    »Bei meinen wiederholten Aussprachen mit dem Gemahl Eurer Hoheit gewann ich nämlich den Eindruck, dass die Dynastie der Bourbonen dem französischen Volke durchaus nicht – mhm, durchaus nicht erwünscht ist. Ich habe deshalb Seiner Hoheit den Vorschlag gemacht –« Er hielt sein leeres Glas dem Adjutanten hin und sah mir voll ins Gesicht. »Madame, ich habe Ihrem Gemahl den Vorschlag gemacht, dem französischen Volk nahe zu legen, seinen großen Marschall Jean-Baptiste Bernadotte, Prinz von Schweden, zum König zu wählen.«
    »Und was hat mein Mann Eurer Majestät geantwortet?«
    »Unverständlicherweise – nichts, Hoheit. Unser teurer Cousin, der Kronprinz von Schweden, hat Unseren diesbezüglichen Brief nicht beantwortet, Seine Hoheit ist nicht zur festgesetzten Zeit in Paris eingetroffen, meine Kuriere erreichen ihn nicht mehr, Seine Hoheit ist – verschwunden.« Er trank das frisch gefüllte Glas leer und sah mich betrübt an. »Der Kaiser von Österreich und der König von Preußen unterstützen die Rückkehr der Bourbonen. England hat bereits ein Kriegsschiff zur Einschiffung Ludwigs XVIII. bereitgestellt. Da mir der schwedische Kronprinz nicht antwortet, werde ich mich den Wünschen der französischen Regierung –« Sein Blick streifte Talleyrand, »– und meiner Verbündeten fügen.« Er blickte nachdenklich in sein Glas. »Schade…« Und unvermittelt: »Sie haben einen reizenden Salon, Madame.« Wir erhoben uns, und der Zar trat ans Fenster und blickte in den Garten hinaus. Ich stand dicht neben ihm und reichte ihm kaum bis zur Schulter. »Ein schöner Garten«, murmelte er zerstreut. Herrgott, mein Gärtchen ist heuer ganz ungepflegt und schaut trostlos aus! »Ich wohne in Moreaus ehemaligem Haus.« Der Zar schloss plötzlich in schmerzlicher Erinnerung die Augen. »Ein Kanonenschuss hat seine beiden Beine zerschmettert, Moreau hat meinem Generalstab angehört, er ist Anfang September gestorben. Haben Hoheit nichts davon gehört?« Ich presste den Kopf an die kühle Fensterscheibe. »Moreau ist ein alter Freund von uns. Aus der Zeit, in der mein Mann noch hoffte, dem französischen Volke die Republik erhalten zu können.« Ich sprach sehr leise, wir lehnten allein am Fenster, der Zar aller Reußen und ich. Nicht einmal Talleyrand konnte uns hören. »Und um dieser Republik willen geht Ihr Gemahl nicht auf meinen Vorschlag ein, Madame?« Ich schwieg.»Keine Antwort ist auch eine Antwort«, lächelte er.

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