Désirée
Aber dann ging es ganz gut. »Wenn du glaubst, dass es für dich und Oscar notwendig ist, dich scheiden zu lassen und eine Prinzessin zu heiraten – dann lasse dich eben scheiden. Ich stelle nur eine Bedingung.«
»Und zwar?«
»Dass ich deine Mätresse werde, Jean-Baptiste!«
»Ausgeschlossen, ich möchte am schwedischen Hof gar nicht erst mit einer Mätressenwirtschaft beginnen. Übrigens kann ich mir eine Mätresse gar nicht leisten, kleines Mädchen. Du musst schon meine Frau bleiben, Désirée – was immer auch geschieht.« Unsere Seine rauschte. Wie Musik war es, wie ein leiser Walzer.
»Und wenn das Schlimmste passiert? Wenn du König wirst?«
»Ja, Liebchen, auch wenn ich König werde.« Langsam kehrten wir zu unserem Wagen zurück. »Vielleicht könntest du mir den Gefallen tun und aufhören, persönlich Seide zu verkaufen«, bemerkte er noch. Dann tauchte Notre-Dame vor uns auf. »Halten!« Wortlos starrte Jean-Baptiste die Kathedrale an, öffnete sogar die Lippen, als ob er ihren Anblick trinken wollte. Dann schloss er die Augen, um Notre-Dame in sich zu verschließen. »Weiterfahren!«
»Ich werde Pierre beauftragen, meinen Anteil an der Firma Clary regelmäßig einzukassieren« sagte ich. »Pierre bleibt als Haushofmeister bei mir. Marius Clary ernenne ich zu meinem Hofmarschall und Marceline Tascher zur Hofdame. Die La Flotte will ich entlassen.«
»Bist du mit dem Grafen von Rosen zufrieden?»
»Privat schon, aber geschäftlich nicht.«
»Was heißt das?«
»Du, der Graf kann nicht einmal ein Paket zusammenschnüren! Ich habe ihn ursprünglich nur wegen der Preußen ins Warenlager mitgenommen, die Preußenplünderten nämlich – ganz unter uns! Aber da wir momentan keinen Lehrling haben, musste er –«
»Désirée! Du kannst doch nicht den Dragonerleutnant Graf von Rosen in einen Lehrling verwandeln!« Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht könntest du mir einen Adjutanten schicken, der kein gebürtiger Graf ist. Gibt es denn gar keine Parvenus am schwedischen Hof?«
»Nur die Bernadottes!«, lachte Jean-Baptiste. »Und Baron Wetterstedt. Aber der ist Reichskanzler, und den brauche ich selbst.« Er beugte sich vor und rief dem Kutscher eine Adresse zu. Wir fuhren nach Sceaux, um unser erstes Haus wieder zu sehen. Die Sterne waren sehr klar. Hinter Gartenmauern blühte der Flieder. »Diesen Weg bin ich als Kriegsminister zweimal täglich geritten.« Und unvermittelt: »Wann darf ich dich eigentlich in Stockholm erwarten, meine Königliche Hoheit?« »Noch nicht.« Seine Epauletten zerkratzten meine Wange. »Die nächsten Jahre werden schwer genug für dich sein … Ich will dir das Leben nicht noch schwerer machen. Du weißt ja, wie ungeeignet ich für den schwedischen Hof bin!« Er sah mich scharf an. »Willst du damit sagen, dass du dir das schwedische Hofzeremoniell nie zu Eigen machen willst, Désirée?« »Wenn ich kommen werde, werde ich alle Fragen der Etikette selbst bestimmen«, sagte ich langsam. Da hielt der Wagen in der Rue de la Lune Nr. 3 in Sceaux. Fremde Leute wohnen in unserem Häuschen. Ich dachte – im ersten Stock ist Oscar zur Welt gekommen. Und Jean-Baptiste sagte im gleichen Augenblick: »Stell dir vor, Oscar muss sich schon barbieren. Zweimal in der Woche.« Wir sahen, dass der alte Kastanienbaum im Garten schon Kerzen hatte. Auf der Rückfahrt waren wir einander so nahe, dass wir gar nicht sprachen. Erst als der Wagen in die Rue d’Anjou einfuhr, sagte Jean-Baptiste plötzlich scharf: »Andere Gründe hast du nicht, um noch hier zu bleiben? Wirklichnicht?« »Doch, Jean-Baptiste. Hier braucht man mich und dort – bin ich überflüssig. Ich muss Julie helfen.«
»Napoleon habe ich bei Leipzig geschlagen. Und trotzdem kann ich diese Bonapartes nicht loswerden!«
»Es handelt sich um die Clarys«, sagte ich beleidigt. »Bitte – vergiss das nicht!« Zum letzten Mal hielt der Wagen. Es kam schrecklich plötzlich. Jean-Baptiste stieg mit mir aus und sah das Haus an. Aufmerksam, schweigend. Die beiden Posten traten ins Gewehr. Ich reichte Jean-Baptiste die Hand. Die Wachtposten schauten zu. »Was immer auch in den Zeitungen an gewissen Gerüchten steht –« Er zog meine Hand an die Lippen. »Glaub nicht daran, verstehst du?«
»Schade. Ich wäre so gern deine Mätresse geworden – Au!« Jean-Baptiste biss mich in den Finger. Die Wachtposten schauten leider zu.
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Paris, Pfingstmontag, 30. Mai 1814.
Spätabends.
F ür mich gibt es nichts
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