Désirée
ich mich zusammen und trat näher. Erkannte den Krönungsmantel, der in weichen Falten über das Bett gebreitet lag. Wie eine gute, warme Decke … Den Hermelinkragen hatte man über ihre Brust und Schultern gelegt. Gelblich schimmerte er im Licht der Kerzen, gelblich wie das Gesicht der toten Josephine. Nein – Josephine sah nicht zum Fürchten aus. Nicht einmal zum Weinen. Dazu war sie viel zu schön … Der kleine Kopf lag etwas schräg. Ganz genauso, wie sie ihn so oft gehalten hat, wenn sie einem Mann durch die langen dunklen Wimpern einen Blick zuwarf. Auch die Augen waren nicht fest geschlossen, sondern schimmerten unter dem Schleier der Wimpern. Nur die schmale Nase wirkte fremd und scharf. Um so süßer das Lächeln des geschlossenen Mundes, der nicht einmal im Tode das Geheimnis der schlechten Zähne verriet. Nein, keines ihrer Geheimnisse verriet die tote Josephine. Die Zofen hatten noch einletztes Mal das schüttere Haar der Einundfünfzigjährigen in kindliche Ringellöckchen gedreht. Ein letztes Mal Silberschminke auf die Lider, die sich für immer geschlossen haben, und Rouge auf die gelblichen Wangen, über die das Licht der Wachskerzen spielte. Wie süß lächelte Josephine im ewigen Schlaf, süß und kokett und – »– und so charmant«, bemerkte jemand dicht neben mir. Ein alter Herr mit aufgedunsenen Wangen und schönem, silbrigem Haar. Er schien aus dem Dunkel einer Ecke getreten zu sein. »Mein Name ist Barras«, stellte er sich vor und hob ein Lorgnon an die Augen. »Habe ich die Ehre, Madame zu kennen?«
»Das ist sehr lange her«, sagte ich. »Wir waren im Salon des Generals Bonaparte zusammen. Sie waren damals Direktor der Republik, Monsieur Barras.« Er ließ das Lorgnon sinken. »Diesen Krönungsmantel – sehen Sie, Madame, diesen Krönungsmantel hat Josephine mir zu verdanken … du heiratest den kleinen Bonaparte, ich ernenne ihn zum Militärgouverneur von Paris, und alles weitere wird sich finden, liebe – sehr liebe Josephine, habe ich zu ihr gesagt. Wie Sie wissen, Madame – alles weitere hat sich gefunden.« Er kicherte leise. »Hat sie Ihnen nahe gestanden, Madame?« Nein, sie hat mir nur das Herz gebrochen, Monsieur, dachte ich und begann zu weinen. »Ein Narr, dieser Bonaparte! Ein Narr …«, flüsterte der alte Herr und strich mit zärtlicher Hand eine Falte des Purpurmantels glatt. »Von der einzigen Frau, mit der man sich auf einer einsamen Insel nicht langweilt, lässt er sich scheiden!« Auf dem Hermelinkragen des Mantels der Kaiserin der Franzosen lagen rote Rosen. Sie waren im Schimmer der Wachskerzen verwelkt und dufteten schmerzhaft. Ihr Duft presste meine Schläfen zusammen, meine Knie gaben nach, plötzlich sank ich am Bett Josephines zusammen und vergrub mein Gesicht im Samt desKrönungsmantels. »Weinen Sie nicht um Josephine, Madame. Josephine starb, wie sie gelebt hat. Am Arm eines sehr mächtigen Mannes, der ihr an einem Maiabend zwischen den Rosenstöcken von Malmaison versprach, alle Schulden zu bezahlen. – Hörst du, liebe, sehr liebe Josephine?-« Als ich aufstand, war der alte Herr wieder im Dunkel seiner Ecke verschwunden. Nur Totengebete waren zu hören. Da nickte ich Josephine noch einmal zu. Ihre langen Wimpern schienen ein wenig zu flattern, und sie lächelte mit geschlossenen Lippen … Als ich wieder hinunterkam, wandte sich Eugène gerade ernsthaft an Julie: »Kostet ein Morgenrock aus Brüsseler Spitzen mit dazugehörigem Häubchen wirklich zwanzigtausend Francs, Madame?« Schnell steuerte ich auf die offene Tür zu, die in den Garten führte. Die Sonne schien so stark, dass die Luft zitterte. Rosen blühten in allen Farben. Plötzlich stand ich vor einem winzigen künstlichen Teich. Auf der steinernen Einfassung saß ein kleines Mädchen und sah den komischen Entlein zu, die aufgeregt und unbeholfen hinter einer dicken Entenmutter einherschwammen. Ich setzte mich dicht neben das Kind. Die Kleine hatte braune Locken, die in Korkziehern bis zu den Schultern fielen, und ein weißes Kleid mit einer schwarzen Schärpe. Als sie den Kopf hob und mich von der Seite ansah, blieb mir das Herz stehen – sehr lange Wimpern über länglichen Augen und ein süßes herzförmiges Gesicht. Das Kind begann zu lächeln. Es lächelte mit geschlossenen Lippen. Ich fragte: »Wie heißt du?« »Josephine, Madame!« Sie hatte blaue Augen und wunderschöne Perlenzähne. Ihre Haut war sehr hell, und in dem dichten Haar funkelten goldene Lichter. Josephine – und
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