Désirée
doch nicht Josephine. »Sind Sie eine der Hofdamen, Madame?«, fragte das Kind höflich. »Nein. Wie kommst du darauf?« »Weil Tante Hortense sagt, dass die Kronprinzessin von Schweden auf Besuch kommt. Prinzessinnenbringen immer Hofdamen mit. Natürlich nur, wenn es sich um erwachsene Prinzessinnen handelt.« »Und kleine Prinzessinnen?«
»Die haben Gouvernanten.« Das Kind sah wieder den Entlein zu. »Die Entlein sind noch so klein – ich glaube, die sind erst gestern aus dem Magen ihrer Mama gekrochen.« »Unsinn, Entlein kriechen doch aus dem Ei.«
Das Kind lächelte. »Sie müssen mir keine Märchen erzählen, Madame.« »Sie kommen wirklich aus einem Ei«, beharrte ich. Das Kind nickte. »Wie Sie wünschen, Madame.« »Bist du die Tochter des Prinzen Eugène?« »Ja. Aber Papa ist kein Prinz mehr. Wenn wir Glück haben, sprechen ihm die Alliierten ein Herzogtum in Bayern zu. Mein Großvater – der Papa meiner Mama nämlich – ist der König von Bayern.«
»Dann bist du auf jeden Fall eine Prinzessin«, entschied ich. »Wo ist deine Gouvernante?«
»Der bin ich davongelaufen«, sagte die Kleine und griff mit der Hand ins Wasser. Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Wenn Sie keine Hofdame sind, dann sind Sie vielleicht eine Gouvernante?« »Warum?« »Irgendjemand müssen Sie doch sein.« »Vielleicht bin ich auch eine Prinzessin.«
»Ausgeschlossen. So sehen Sie nicht aus!« Die Wimpern flatterten, die Kleine legte den Kopf etwas schräg und lächelte. »Ich möchte gern wissen, wer Sie sind.« »Wirklich?« »Sie gefallen mir. Obwohl Sie mir diese dumme Enteneier-Geschichte einreden wollen. Haben Sie Kinder?«
»Einen Sohn. Aber er ist nicht hier.«
»Schade. Ich spiele viel lieber mit Buben als mit Mädchen. Wo ist Ihr Sohn?«
»In Schweden. Aber du weißt sicherlich nicht, wo das liegt.« »Das weiß ich genau, ich nehme doch Geographiestunden. Und Papa sagt –«
»Josephine! Josephi i i i ne –«
Das Kind seufzte. »Meine Gouvernante!« Dann kniff es ein Auge zusammen und schnitt ein Gassenbubengesicht. »Ein Brechmittel. Aber sagen Sie es nicht weiter, Madame!« Langsam kehrte ich ins Haus zurück. Wir speisten allein mit Hortense und Eugène. »Wissen Sie vielleicht, wann wir einen Kurier nach Elba schicken dürfen?«, fragte er Julie beim Abschied. »Ich möchte dem Kaiser so schnell wie möglich den Tod unserer armen Mama melden. Und – ja, die unbezahlten Rechnungen werde ich mitschicken.« Wir fuhren durch einen sehr blauen Abend zurück. Kurz vor Paris fiel mir etwas Wichtiges ein. Ich will es aufschreiben, um es von Zeit zu Zeit durchzulesen und nie zu vergessen. Wenn man schon eine Dynastie gründet, warum nicht gleich eine – charmante? »Eine Sternschnuppe – schnell, wünsch dir etwas!«, rief Julie. Da habe ich es mir gewünscht – schnell und wahrscheinlich sehr unbedacht. »Die Schweden werden sie Josephina nennen«, überlegte ich laut. »Sag einmal, von wem sprichst du eigentlich?«, fragte Julie erstaunt. »Von der Sternschnuppe, die gerade vom Himmel gefallen ist. Nur von einer Sternschnuppe …«
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Paris, im Spätherbst 1814.
O scar hat mir hinter dem Rücken seines Hofmeisters aus Norwegen geschrieben. Ich habe seinen Brief in mein Buch geklebt, um ihn nicht zu verlieren.
Christiania, 10. November 1814.
Meine liebe Mama,
Graf Brahe schickt einen Kurier von hier nach Paris, und ich beeile mich, dir zu schreiben. Besonders, weil mein Hofmeister Baron Cederström mit einer Erkältung im Bett liegt. Cederström versucht nämlich, immer meine Briefe an dich zu lesen, um zu sehen, ob ich formvollendet schreibe. Der alte Idiot. Liebe Mama, meine innigsten Glückwünsche – du bist soeben Kronprinzessin von Norwegen geworden! Norwegen und Schweden sind jetzt in einer Union verbunden, und der schwedische König ist gleichzeitig König von Norwegen. Wir haben sogar einen Feldzug hinter uns, auf dem wir Norwegen erobert haben. Und gestern Abend bin ich mit Papa hier in Christiania angekommen, der Hauptstadt von Norwegen. Aber ich will dir lieber alles der Reihe nach erzählen. Papas Einzug in Stockholm nach der Befreiung Frankreichs war einzigartig. In den Straßen, durch die Papa im offenen Wagen fuhr, herrschte solcher Jubel und so viel Gedränge, dass die Leute einander zertrampelten und es nicht einmal bemerkten. Seine Majestät fiel Papa um den Hals und weinte wie ein Kind vor lauter Freude. Auch Ihre Majestät weinte, aber etwas diskreter. Die Schweden fühlen
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