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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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»Manchmal haben Sie mich sogar gewinnen lassen. Aber das haben Sie wahrscheinlich längst vergessen.« »Nein – Eugénie.«
    »Und einmal – es war spätabends, und die Wiese neben unserem Garten war ganz dunkel – da haben Sie mir gesagt, dass Sie Ihre Bestimmung kennen. Ihr Gesicht war so weiß im Mondlicht. Damals hatte ich zum ersten Mal Angst vor Ihnen.« »Und damals habe ich Sie zum ersten Mal geküsst, Eugénie!« Ich lächelte. »Sie dachten an die Mitgift, General.« »Nicht ausschließlich – Eugénie. Wirklich – nicht ausschließlich …« Dann saßen wir wieder schweigend nebeneinander. Ich spürte, dass er mich von der Seite ansah, dass ihm ein Einfall gekommen war, der mit mir zusammenhing. Ich presste die Hände zusammen. Ein paar hundert Menschenleben sind sehr viel, mein Kind … Wenn ich beten könnte, würde ich jetzt beten. »Und wenn ich mich nicht gefangen nehmen lasse, sondern mich freiwillig in Kriegsgefangenschaft begebe, was dann?« »Ich weiß es nicht«, sagte ich traurig. »Eine Insel? Wieder eine Insel? Vielleicht jener Felsen im Meer, der Sankt Helena heißt und bereits auf dem Wiener Kongress vorgeschlagen wurde?«
    Angst schrie aus seinen Augen. Sein Gesicht war nackt. »Ist es – Sankt Helena?«
    »Ich weiß es wirklich nicht. Wo liegt Sankt Helena?«
    »Jenseits des Kaps der Guten Hoffnung. Jenseits, Eugénie!«
    »Und trotzdem würde ich mich nie einfangen lassen – nie, General, nie! Dann schon lieber mich freiwillig in Gefangenschaft begeben.« Aber er saß wiedervornübergebeugt und legte die Hand vor die Augen, aus denen unverhüllte Angst schrie. Ich stand auf. Er rührte sich nicht. »Ich gehe jetzt«, sagte ich leise. Und blieb stehen und wartete. Er hob den Kopf. »Wohin gehst du?«
    »Zurück nach Paris. Sie haben weder der Kronprinzessin von Schweden noch der französischen Regierung eine Antwort gegeben. Aber Sie haben ja Zeit bis – abends.«
    Da begann er schallend zu lachen. Es kam so unerwartet, dass ich zurückfuhr. »Soll ich verhindern, dass sie mich gefangen nehmen? Hier oder in Rochefort? Ja – soll ich es verhindern?« Dabei nestelte er an seinem Säbel. »Du – sollen wir den Herren Blücher und Wellington den Spaß verderben?« Er riss den Säbel aus der Scheide. »Da – nimm ihn, Eugénie! Nimm den Säbel von Waterloo!« Stahl flammte in der Sonne auf. Zögernd streckte ich die Hand aus. »Gib Acht, fass den Säbel nicht an der Klinge an!« Ungeschickt griff ich nach dem Knauf. Dann starrte ich fassungslos auf den Säbel in meiner Hand. Napoleon war aufgestanden. »In diesem Augenblick ergebe ich mich den Verbündeten. Ich betrachte mich als Kriegsgefangener. Man pflegt seinen Säbel jenem Offizier, der einen gefangen nimmt, zu übergeben. Bernadotte soll dir das einmal erklären. Ich habe meinen Säbel der Kronprinzessin von Schweden übergeben, weil –«, seine Worte überstürzten sich – »weil wir an der Hecke angelangt sind, Eugénie. Und du hast gewonnen!« – »Das mit der Hecke kann ich der französischen Regierung schwer erklären«, sagte ich. »Man wartet in meinem Haus auf Ihre Antwort, General Bonaparte!« »Ja, warten sie?«, höhnte er. »Warten die Herren Talleyrand und Fouché in deinem Haus, um Frankreich wieder den Bourbonen auszuliefern?«
    »Nein, Lafayette wartet.« Er schnitt eine Grimasse. »Eugénie, halte doch den Säbel nicht wie einen Regenschirm!«
    »Und Ihre Antwort an die Regierung, General?«
    »Zeige meinen Säbel und sage, dass ich mich in die Kriegsgefangenschaft der Verbündeten begeben habe. Ich reise in einer – nein, sagen wir in zwei Stunden nach Rochefort. Von dort aus werde ich einen Brief an meinen ältesten und besten Feind, den Prinzregenten von England, richten. Mein weiteres Schicksal hängt von den Verbündeten ab.« Er machte eine Pause und fügte hastig hinzu: »Die Fregatten sollen unter allen Umständen in Rochefort warten!« »Sie liegen neben dem englischen Kreuzer ›Bellerophon‹ vor Anker«, sagte ich tonlos. Dann wartete ich auf ein Wort des Abschieds. Das Wort blieb aus, und ich wandte mich zum Gehen. »Madame!« Ich drehte mich schnell um. »Madame, man sagt, dass das Klima auf Sankt Helena sehr ungesund sein soll. Kann ich damit rechnen, dass man sich gegebenenfalls bei den Engländern verwendet, um meinen Aufenthaltsort zu verändern?«
    »Sie haben selbst gesagt, dass Sankt Helena jenseits des Kaps der Guten Hoffnung liegt.« Er sah starr vor sich hin. »Nach meiner ersten

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