Désirée
ersucht, sich unverzüglich in den Hafen von Rochefort zu begeben, um Frankreich zu verlassen«,fuhr Fouché fort. »Worauf er heute Nacht General Becker, den ihm die französische Regierung als – nun, als Kommissar zugeteilt hat und der dafür sorgen sollte, dass die Abreise reibungslos verläuft, zu uns geschickt hat. Mit einer neuerlichen Herausforderung. Bonaparte verlangt – verlangt, Hoheit! –, als einfacher General den Oberbefehl über die letzten Regimenter zu erhalten, um Paris zu verteidigen. Erst nach der – natürlich erfolgreichen Verteidigung, die uns die Möglichkeit geben soll, günstige Friedensbedingungen zu erhalten – will sich General Bonaparte ins Ausland begeben.« Fouché schnaufte und trocknete den Schweiß von der Stirn. »Dieser Hohn, Hoheit – dieser Hohn!« Ich schwieg. Talleyrand sah mich an. »Wir können nicht kapitulieren und Paris vor Zerstörung schützen, bevor General Bonaparte Frankreich verlassen hat. Die Verbündeten stehen bereits bei Versailles. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, Hoheit, General Bonaparte muss noch heute Malmaison verlassen und sich nach Rochefort begeben!«
»Warum gerade nach Rochefort?«
»Die Verbündeten werden leider die Übergabe des Generals Bonaparte von uns verlangen.« Talleyrand gähnte verstohlen. »General Bonaparte hat jedoch bei seiner Abdankung darauf bestanden, dass ihm zwei Fregatten der französischen Marine zur Verfügung gestellt werden, damit er sich ins Ausland begeben kann. Die Fregatten erwarten ihn seit Tagen vergebens im Hafen von Rochefort.« Fouchés Augen wurden schmal. »Übrigens hat die englische Marine alle Häfen gesperrt. Ich höre, dass der englische Kreuzer ›Bellerophon‹ in Rochefort neben den Fregatten vor Anker liegt.« Er sah auf die Uhr. Jetzt kommt es, dachte ich, jetzt … Ich schluckte und fragte leise: »Was habe ich damit zu tun?«
»Sie, liebe Kronprinzessin, sind als Mitglied desschwedischen Königshauses in der Lage, im Namen der Verbündeten mit General Bonaparte zu sprechen«, lächelte Talleyrand amüsiert. »Hoheit könnten dem General Bonaparte gleichzeitig die Antwort der französischen Regierung auf seinen unerhörten Antrag übermitteln.« Fouché zog hastig ein versiegeltes Schreiben aus der Brusttasche. »Ich fürchte, die französische Regierung wird sich eines ihrer Kuriere bedienen müssen, um das Schriftstück nach Malmaison zu befördern«, sagte ich. »Und die Aufforderung, ins Ausland zu gehen? Oder sich den Verbündeten zu stellen, um Frankreich endlich Ruhe zu verschaffen?« Fouché schrie plötzlich vor Wut. Langsam schüttelte ich den Kopf. »Sie irren sich, meine Herren – ich bin nur als Privatperson hier.«
»Mein Kind, man hat Ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt –«
Ich zuckte zusammen. Zum ersten Mal hörte ich Lafayettes Stimme. Eine tiefe, ruhige und gütige Stimme. »Dieser General Bonaparte hat in Malmaison einige Bataillone versammelt, junge Leute, die zu allem bereit sind … Wir fürchten, dass sich der General zu einem Entschluss hinreißen lässt, der den Ausgang der Ereignisse zwar nicht verändern, aber ein paar hundert Menschenleben mehr kosten würde. Ein paar hundert Menschenleben sind sehr viel, mein Kind!« Ich senkte den Kopf. »Die Kriege des Generals Bonaparte haben Europa bereits über zehn Millionen Menschenleben gekostet«, fuhr die ruhige Stimme unerbittlich fort. Ich richtete mich auf und sah über die Schultern der drei Männer das Porträt des jungen Napoleon. Wie aus weiter Ferne hörte ich meine eigene Stimme. »Ich will es versuchen, meine Herren.« Und dann ging alles sehr schnell. Fouché stieß mir das versiegelte Schreiben in die Hand. »General Becker wird Hoheit begleiten!« Und ich: »Nein, ich nehme nur meinen schwedischenAdjutanten mit.« – »Ein Bataillon Garde steht zur Verfügung«, sagte Talleyrand eindringlich. »Ich fühle mich nicht gefährdet. Graf von Rosen, mein Wagen – wir fahren sofort nach Malmaison!« Mein Herz flatterte. Yvette reichte mir meine Handschuhe. »Und welchen Hut, Hoheit?« – Hut, welchen Hut … Talleyrand will mir noch etwas sagen: »– davon überzeugt, dass man sich dankbar erweisen und vielleicht Madame Julie Bonaparte eine Ausnahmestellung einräumen wird.« Warum beleidigt er mich? Ich wandte ihm den Rücken zu. General Lafayette stand an der Tür, die zum Garten führt, und spähte durch die Ritzen der geschlossenen Läden. Schnell trat ich neben ihn. »Mein Kind, wenn Sie
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