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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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den Dom anschauen wollen … »Sie müssen nur dafür sorgen, dass Ihr Onkel informiert ist. Ihr Onkel hat sich zurückzuziehen, sobald er mich sieht. Versprechen Sie mir das?« Mein Löwenhjelm war entsetzt. »Der Vorteil zeremonieller Vorbereitungen besteht doch darin, Überraschungen zu vermeiden«, erklärte er mir. Ich gab nicht nach, bis er »Zu Befehl, Majestät« seufzte. Dann setzte ich den Hut mit dem Reiseschleier auf. Der Schleier verdeckte meine Wangen. Ich knüpfte ihn dicht unterm Kinn zusammen. Außerdem ist es im Dom sehr dämmerig, fiel mir ein. Dann verließ ich allein das Hotel. Das ist die letzte, die entscheidende Überraschung meines Lebens, dachte ich auf dem Weg zum Dom. Das erste Rendezvous mit einem neuen Mann kann alles bedeuten. Oder auch – nichts. In einer halben Stunde wird es sich entscheiden. Ich setzte mich auf eine Chorbank und faltete unwillkürlich die Hände. Elf Jahre sind eine lange Zeit, überlegte ich. Vielleicht habe ich mich, ohne es zu bemerken, in eine ältere Dame verwandelt. Auf jeden Fall ist er inzwischen erwachsen geworden. Ein junger Mann, den man auf eine Auslandsreise geschickt hat, damit er sich an Europas Fürstenhöfen eine Braut aussucht. Man hat ihm den verlässlichen Karl Gustaf Löwenhjelm mitgegeben, damit er keine Seitensprünge macht. Denselben verlässlichen Löwenhjelm, der seinerzeit seinen Vater bei der Ankunft in Schweden erwartet hat, um ihn über das schwedische Hofzeremoniell zu unterrichten. Aber ich werde das Hofzeremoniell brechen … An diesem Vormittag besuchten unzählige Touristen den Dom. Sie drängten sich um die Steinplatte über der Gruft Karls des Großen, die wahrscheinlich gar nicht seine Gruft ist. Ich folgte jedem Einzelnen mit den Augen. Der –? klopfte mein Herz. Oder am Ende der kleine Plattfüßige dort drüben –? Ich weißnicht, wie jenen Müttern zumute ist, die ihren Sohn aufwachsen sehen. Die ihm jeden Abend gute Nacht sagen und seine ersten Bartstoppeln küssen und wissen, wann er sich zum ersten Mal verliebt. Dann beginnt er sich nämlich plötzlich die Nägel zu putzen … Das alles kenne ich nicht. Ich warte auf einen Mann, der jenem gleicht, von dem ich mein Leben lang geträumt habe und dem ich nie begegnet bin. Tiefste Vertraulichkeit, unwiderstehlicher Zauber, alles – alles erwarte ich von meinem unbekannten Sohn. Ich erkannte ihn sofort. Und nicht, weil ihn jener Löwenhjelm, der sich seit meinen längst verflossenen Stockholmer Tagen nicht verändert hat, begleitete. Sondern an seiner Haltung, an seinem Gang, an der kleinen Wendung des Kopfes, mit der er Löwenhjelm etwas zuflüsterte. Er trug einen dunklen Zivilanzug und war beinahe so groß wie sein Vater. Nur schmaler – ja, viel schmaler. Ich stand auf und ging auf ihn zu. Wie im Traum, ohne zu überlegen, wie ich ihn anreden sollte. Er stand vor der Steinplatte über der angeblichen Gruft Karls des Großen und neigte sich etwas vor, um die Inschrift zu lesen. Ich berührte den Arm seines Begleiters. Löwenhjelm sah auf und trat wortlos zurück. »Ist das die Gruft Karls des Großen?«, hörte ich mich auf Französisch fragen. Es war die dümmste Frage der Welt, es stand auf der Steinplatte geschrieben. »Wie Sie sehen, Madame«, antwortete er, ohne aufzublicken. »Ich weiß, dass mein Benehmen unschicklich ist, aber – aber ich wünsche mir sehr, die Bekanntschaft Eurer Hoheit zu machen«, flüsterte ich. Er sah auf. »Sie wissen also, wer ich bin, Madame?« Die dunklen, unerschrockenen Augen aus seiner Kinderzeit. Und dieselben dichten Locken. Mein Gott, meine Locken … Aber ein fremdes Schnurrbärtchen, das er lächerlich aufgezwirbelt hatte. »Hoheit sind der Kronprinz von Schweden. Und ich – ich bin sozusagen eine Landsmännin. Mein Mann lebtnämlich in Stockholm …« Ich stockte. Er sah mich unverwandt an. »Ich wollte Eure Hoheit um etwas bitten, aber – es geht nicht so schnell.«
    »Nein?« Er sah sich um. »Ich weiß nicht, warum mich mein Begleiter plötzlich im Stich gelassen hat«, murmelte er. »Aber ich habe noch eine Stunde Zeit. Wenn Sie mir gestatten, Madame, würde ich Sie gern begleiten.« Er lächelte in meine Augen. »Ist es gestattet, Madame?« Ich nickte. In meinem Hals saß ein Klumpen. Während wir dem Ausgang zuschritten, sah ich Oscars Löwenhjelm hinter einer Säule herumspuken. Gottlob – Oscar bemerkte ihn nicht. Ohne miteinander zu sprechen, wanderten wir über den Fischmarkt vor dem Münster, überquerten dann

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