Désirée
geworden, deine Augen sind jetzt größer, dabei ist dein Gesicht voller und deine Stirn – warum weinst du denn eigentlich, Mama?« »Wann hast du mich eigentlich erkannt, Oscar?«
»Erkannt? Ich habe mich doch vor der Gruft Karls des Großen nur aufgestellt, um auf dich zu warten. Ich war übrigens sehr neugierig darauf, wie du fremde Herren ansprichst.«
»Und ich habe damit gerechnet, dass dein Löwenhjelm den Mund hält!« »Mein Löwenhjelm kann gar nichts dafür. Von Anfang an war es meine Absicht, dich ohne Zeugen wieder zu sehen. Der Graf hat gesehen, wie ich mir den Kopf darüber zerbrochen habe. Da hat er mir gestanden, dass du mir zuvorgekommen bist.«
»Oscar – ist das alles wahr, was du mir über Papa erzählst?« »Natürlich. Ich habe nur alles recht schwarz ausgemalt, damit du dich schnell zur Heimkehr entschließt. Wann kommst du?« Er nahm meine Hand und legte sie an seine Wange. Zur Heimkehr … Heimkehr in ein fremdes Land, in dem mir einst so kalt war. Er rieb seine Wange an meiner Hand. »Oscar, du hast Stoppeln wie ein richtiger Mann. Und du weißt nicht, wie sie mich damals in Stockholm gekränkt haben.« »Mama, kleine Mama … Wer hat dich gekränkt? Die unheimliche Königinwitwe der ermordeten Vasa? Die ist seit vielen Jahren tot. Die Witwe des alten Herrn? Hedvig Elisabeth ist ein paar Monate nachihrem Mann gestorben. Oder die alte Prinzessin Sofia Albertina? Lass dich nicht auslachen, Mama, wer kann dich denn kränken? Vergiss nicht, du bist die Königin!« Nein, nein, das vergesse ich nicht. Jede Minute denke ich daran, es verfolgt mich, ich habe ja solche Angst davor … »Mama, vorhin im Dom hast du etwas von einer Bitte an Seine Hoheit gemurmelt. Hast du das nur gesagt, um mit mir ins Gespräch zu kommen?«
»Nein, ich habe wirklich eine Bitte an dich. Sie betrifft meine Schwiegertochter.«
»Die gibt es doch noch gar nicht! Papa hat eine ganze Liste von Prinzessinnen zusammengestellt, die ich mir anschauen soll. Oranienburgerinnen und vor allem preußische Prinzessinnen. Eine hässlicher als die andere. Papa hat ihre Porträts beschafft.«
»Ich möchte so gern, dass du aus Liebe heiratest, Oscar.«
»Glaub mir, ich auch! Wenn du nach Hause kommst, werde ich dir heimlich meine kleine Tochter zeigen. Sie heißt Oscara, Mama.« Ich bin Großmama … Großer Gott, Großmamas sind doch alte Damen! Nichts Böses ahnend, laufe ich zu einem letzten Rendezvous und –
»Mama, Oscara hat deine Lachgrübchen geerbt!«
Oscara. Meine Enkelin Oscara . »Sag einmal, haben die Lachgrübchen keine Mutter?«
»Eine entzückende sogar – Jaquette Gyldenstolpe.«
»Weiß Papa davon?«
»Was fällt dir ein, Mama! Versprich mir, dass du nie etwas erwähnst, ja?«
»Aber solltest du nicht dieses Fräulein –«
»Heiraten? Mama, du vergisst, wer ich bin!«
Das gab mir einen Stich. Ich weiß nicht, warum. Oscar sprach sehr schnell weiter. »Papa hat zuerst an eine Verbindung mit dem Haus Hannover gedacht. Aber denEngländern ist die Dynastie Bernadotte noch nicht fein genug. Ich werde eine preußische Prinzessin nehmen müssen.«
»Hör zu, Oscar! Es wurde verabredet, dass du von hier aus mit mir nach Brüssel zur Hochzeit fährst.«
»Ich habe es schon wieder vergessen – wer heiratet eigentlich wen?« »Tante Julies Tochter Zenaïde heiratet einen Sohn Lucien Bonapartes. Joseph Bonaparte kommt zu diesem Zweck aus Amerika zurück, vielleicht bleibt er sogar bei Julie in Europa.«
»Hoffentlich, dann wären wir endlich die Sorge um sie und ihre schwache Gesundheit los!«
»Tante Julie ist sehr zart.«
»Verzeih, Mama, aber die ganzen Bonapartes sind mir unsympathisch.« Wie sein Vater. Dieselben Worte … »Tante Julie ist eine Clary, merk dir das!«
»Gut. Wir fahren zur Hochzeit, Mama. Und was weiter?«
»Von Brüssel aus fahre ich in die Schweiz und werde Hortense, die Herzogin von St. Leu, auf Schloss Arenenburg besuchen. Eine geborene Beauharnais, die Tochter der schönen Kaiserin Josephine. Ich möchte, dass du mich begleitest.«
»Mama, dazu habe ich wirklich keine Lust, diese Bonapartes –«
»Ich möchte, dass du ihre Nichte kennen lernst, die kleine Sternschnuppe.«
»Die kleine – was?«
»Ihr Vater ist der ehemalige Vizekönig Eugène von Italien. Jetzt darf er sich Herzog von Leuchtenberg nennen, er ist nämlich mit einer Tochter des bayrischen Königs verheiratet. Und das Kind ist die schönste kleine Josephine, die du dir vorstellen kannst.«
»Wenn sie
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