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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Tante Julie fahren können! Du musst natürlich nach Stockholm. Tante Julie wird sich maßlos kränken. Sie hat so bestimmt mit deinem Besuch gerechnet.« »Sie kann auch bestimmt mit meinem Besuch rechnen«, sagte ich und ging in mein Schlafzimmer. Ich warf mich einfach auf mein Bett und starrte ins Dunkel. Julie Bonaparte – aus Frankreich ausgewiesen wie alle, die den Namen Bonaparte tragen. Die erste Woche nach Napoleons Abreise durfte sie noch in meinem Haus verbringen. Aber dann musste ich ihre Koffer packen und sie mit den Kindern über die belgische Grenze bringen. Seit damals habe ich jeden zweiten Monat ein Gesuch an den achtzehnten Louis geschrieben und gebeten, Julie die Rückkehr zu gestatten. Und jeden zweiten Monat erhalte ich einen höflichen, wirklich überaus höflichen Abschlag. Dann fahre ich nach Brüssel, um Julie zu trösten und zu pflegen. Jedes Mal, wenn ich komme, klagt sie über ein neues Leiden und schluckt so viele Pulver, dass mir beim Zusehen schon schlecht wird. Schwager Joseph hat ihrnicht lange zugesehen. Er nahm den Titel eines Grafen Survillier an und reiste nach Amerika. Dort kaufte er sich eine Farm bei New York, seine Briefe klingen zufrieden, sein jetziges Leben erinnert ihn an seine Jugend und den Bauernhof seiner Mutter. Mager und verbittert schleppt sich Julie vom Sofa zum Bett und vom Bett zum Sofa. Wie kann er sich nur einbilden, dass sie jemals so gesund sein würde, um ihm nachzukommen? Ich streichle ihre Hände, ich lege ihr Kompressen auf die Stirn. Julie, wir waren jahrelang täglich zusammen – wann hast du eigentlich aufgehört, Joseph zu lieben? Jene erste Woche nach den hundert Tagen … Hortense holte ihre Söhne ab. Graf Flahault begleitete sie. Sie waren auf dem Weg in die Schweiz. Hortense benahm sich ruhig und vernünftig, sie sah beinahe zufrieden aus. Jenseits des Kaps der Guten Hoffnung gibt es keine Frauen, eine lebenslange Eifersucht ist erloschen. Nur ganz zuletzt – ich schob gerade ihren Jüngsten in den Wagen – begannen ihre Augen wieder zu flackern. »Aber einer wird wiederkommen und der Dritte sein«, flüsterte sie. »Wer denn und welcher Dritte?«, fragte ich verwirrt. – »Einer meiner Söhne, Madame«, lächelte sie verschmitzt. »Napoleon – der Dritte!« Hortense ist glücklich in die Schweiz entkommen. Aber nicht allen ist die Flucht geglückt. Nicht dem Marschall Ney … Denn diesmal betrachtete der achtzehnte Louis seine Rückkehr nicht als Gnade des Schicksals, sondern als sein gutes Recht. Während er die Freitreppe zu den Tuilerien emporkeuchte, erinnerte er sich erbittert an die Hintertür. Der Schlossplatz war leer. Und überall hatten sie die Farben der Republik aus den Fenstern gehängt. Da setzte er sich hinter seinen Schreibtisch und verlangte die Listen. Aber die Listen mit den Namen der Republikaner und Bonapartisten waren in den letzten hundert Tagen verschwunden. Da ließ sich Fouché melden. Er brachte nicht nur die Listen mit, erhatte sogar neue Namen darauf gesetzt, um sie zu vervollständigen. Und dadurch überreichte ihm Fouché – Frankreich. Eine republikanische Regierung hätte Fouché auf die Dauer kein Ministerportefeuille gelassen. Deshalb schloss er mit den Bourbonen einen Handel ab. Er begrüßte sie als Mitglied der provisorischen Regierung in Paris und wurde dafür zum Polizeiminister ernannt. Dem achtzehnten Louis ging es zuerst einmal nur um die Listen. Unterdessen sammelte Marschall Ney die Reste der Armee und führte sie von Waterloo nach Frankreich zurück. Auch sein Name stand auf den Listen – hatte er nicht versprochen, Napoleon einzufangen und in einen Käfig zu sperren? Ney versuchte, in die Schweiz zu entkommen, und wurde auf der Flucht verhaftet. König Louis ließ ihn zuerst vor ein Kriegsgericht stellen, aber das Kriegsgericht sprach ihn frei. Da ließ Louis die Kammer der »Pairs von Frankreich« zusammentreten, die Versammlung des alten Adels und der zurückgekehrten Emigranten. Marschall Ney, Sohn eines Böttchers, wurde wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Damals schrieb ich das erste Gnadengesuch an König Louis. Schrieb es ungeschickt und mit zitternden Fingern, während die Marschallin Ney neben mir auf den Knien lag und betete. Aber während ich noch schrieb, wurde das ganze Viertel um den Jardin du Luxembourg von den Gendarmen Fouchés abgesperrt. Dann knallte im Park eine Salve. Wir wussten es nicht. Bis von Rosen eintrat und sah, was ich schrieb, und mir sagte, dass es nicht

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