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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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noch so schön ist, heiraten kann ich sie doch nicht!« »Warum nicht?«
    »Du vergisst schon wieder, wer ich bin. Diese obskure kleine Leuchtenberg ist doch keine Partie für den Kronprinzen von Schweden – für einen Bernadotte, Mama!«
    »Nein? Dann werde ich dir etwas sagen, Oscar! Aber zuerst schenk mir noch einmal ein, der Champagner beginnt mir zu schmecken … So – und jetzt hör zu! Ihr Großvater väterlicherseits war der Vicomte de Beauharnais, General der französischen Armee. Und die Großmutter war die Vicomtesse de Beauharnais, geborene Tascher de Pagerie, die schönste Frau ihrer Zeit, die charmanteste und teuerste Kokotte von Paris, in zweiter Ehe Kaiserin der Franzosen. Dein Großvater väterlicherseits war ein ehrenwerter Advokatenschreiber in Peau, und von der Mutter deines Papas weiß ich überhaupt nichts.«
    »Aber Mama –«
    »Lass mich ausreden! Ihr Großvater mütterlicherseits ist der König von Bayern. Das bayrische Königshaus gehört zu den ältesten Fürstengeschlechtern Europas. Dein Großvater mütterlicherseits dagegen war der Seidenhändler François Clary aus Marseille.« Er griff sich an die Stirn. »Die Enkelin einer Kokotte?«
    »Ja – und einer bezaubernden noch dazu. Ich habe zwar die kleine Josephine nur einmal als Kind gesehen, aber – du, dasselbe Lächeln, derselbe Charme wie die große!« Oscar seufzte. »Mama, schon aus dynastischen Gründen –«
    »Gerade aus dynastischen Gründen! Ich will die Stammmutter einer bildhübschen Dynastie werden.«
    »Papa wird es nie erlauben.«
    »Ihm hätte man zumuten sollen, eine hässliche Frau zu heiraten! Mit Papa werde ich schon sprechen, du musst dir nur die Sternschnuppe anschauen.«
    »Kellner, zahlen!« Arm in Arm suchten wir unser Hotel. Ich hatte Herzklopfen vor lauter Glück und schlechtem Champagner. »Wie alt ist sie, Mama?«
    »Erst fünfzehn. Aber ich habe in dem Alter schon geküsst.« »Du warst ein frühreifes Kind, Mama. Warum nennst du sie eigentlich Sternschnuppe?« Ich wollte es ihm erklären. Aber das Hotel kam in Sicht, er wurde plötzlich sehr ernst, seine Hand umfasste hart mein Handgelenk. »Mama, versprichst du mir, dass du meine Braut auf ihrer Reise nach Stockholm begleitest?«
    »Ja, ich verspreche es dir.«
    »Und, dass du bleibst?« Ich zögerte. »Das kommt darauf an.«
    »Worauf, Mama?«
    »Auf mich selbst, Oscar. Ich kann nur bleiben, wenn es mir gelingt, eine gute Königin zu werden. Ich nehme es sehr ernst!«
    »Dir fehlt nur Übung, Mama. Da stehen sie schon – dein Löwenhjelm, mein Löwenhjelm – und trippeln vor lauter Aufregung!« »Ich werde einige Reformen am schwedischen Hof durchführen«, wisperte ich ihm ins Ohr. Er lächelte in meine Augen: »Lassen wir die Abendsonne untergehen, bevor die Sternschnuppe vom Himmel fällt?« Ich nickte. »Versetzen wir das Hoffräulein von Koskull in den wohlverdienten Ruhestand«, schlug ich vor. »Mama, wir sind beide beschwipst«, konstatierte Oscar erschrocken. Dann begannen wir zu lachen und konnten gar nicht mehr aufhören. Schickt sich das eigentlich für eine uneheliche Großmutter?

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    Im Königlichen Schloß in
Stockholm. Frühling 1823.
    M ein Gott, wie schön ist unser Land!«, flüsterte meine Schwiegertochter, die Kronprinzessin Josefina von Schweden, ergriffen. Wir standen nebeneinander an der Reling eines imposanten Kriegsschiffes, das uns im Hafen von Lübeck erwartet hat und nach Stockholm bringen sollte. »Ist es schon so weit? Soll Pierre sein Holzbein anschnallen?«, fragte Marie jeden Augenblick. Die Hochzeit der Sternschnuppe mit Oscar ist in München gefeiert worden. Aber Oscar ist gar nicht dabei gewesen. Die katholische Sternschnuppe wollte nämlich in einer katholischen Kirche heiraten, und Oscar ist evangelisch. Deshalb ließ er sich bei der Trauung in München vertreten. Die großen Hochzeitsfeierlichkeiten werden erst nach unserer Ankunft in Stockholm beginnen. Ich weiß nicht, wer den glücklichen Einfall hatte, uns die endlose Reise durch Dänemark und Südschweden zu ersparen und diesen Kreuzer auszuschicken, der uns an allen kleinen Inseln vor Stockholm vorbeiführte. Und warum mich Jean-Baptiste auf einem Kriegsschiff mit vierundachtzig Kanonen reisen lässt, weiß ich auch nicht. Der Himmel war blassblau, und die Inseln ragten felsig steil aus den Wellen. Die schwarzen Föhren hatten grüne Spitzen. Und auf allen Klippen und Wiesen standen Birken – viele tausend Birken in hellgelben

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