Désirée
Schnell setzte ich mich aufs Bett und sagte: »Mir ist kalt, gib doch die Decke her!« Worauf er sofort die Decke über mich fallen ließ. Unter der Decke war es zum Ersticken heiß, aber ich deckte mich bis an die Nasenspitze zu und hielt die Augen zugepresst und merkte deshalb nicht, dass er die Kerze ausgeblasen hatte.
Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass Marie und Fernand sich zum ersten Mal über etwas geeinigt hatten. Gemeinsam hatten sie den Beschluss gefasst, unser Brautbett mit Rosen zu schmücken. Die Dornen dagegen hatten sie ebenso einträchtig vergessen.
Jean-Baptiste hatte zwar zwei Monate Urlaub genommen, um die ersten Wochen unserer Ehe ungestört mit mir zu verbringen. Aber von dem Augenblick an, an dem die Nachricht von der Vernichtung unserer Flotte bei Aboukir Paris erreichte, musste er beinahe jeden Morgen im Palais Luxembourg erscheinen, um an den Beratungen der Direktoren mit dem Kriegsminister teilzunehmen. Er hatte in der Nähe unseres Häuschens einen Stall gemietet und zwei Reitpferde eingestellt, und wenn ich an meine Flitterwochen zurückdenke, sehe ich mich immer am späten Nachmittag am Gartentor stehen und Ausschau nach Jean-Baptiste halten. Wenn ich in der Ferne klopp-klopp-klopp hörte, bekam ich Herzklopfen und sagte mir zum tausendsten Mal, dass im nächsten Augenblick Jean-Baptiste auf dem gutmütigen Braunen oder dem weniger gutmütigen Rotfuchs sichtbar werden wird, dass ich mit ihm verheiratet bin, wirklich und wahrhaftig und für immer und – dass ich nicht ein bisschen träume … Zehn Minuten später saßen wir unter dem Kastanienbaum und tranken Kaffee, und Jean-Baptiste erzählte mir alles, was erst am nächsten Tag im »Moniteur« zu stehen pflegte, und auch jene Dinge, die um Himmels willen nicht bekannt werdendurften. Und ich blinzelte zufrieden in die untergehende Sonne und spielte mit den dicken schimmernden Kastanien, die im Gras herumlagen. Die Niederlage bei Aboukir hat auf die Feinde unserer Republik wie ein Signal gewirkt. Russland rüstet, und die Österreicher, die sich erst vor kurzem bei unserer Regierung für den Schimpf, den sie unserer Fahne in Wien angetan hatten, entschuldigt haben – ja, die Österreicher marschieren wieder. Näherten sich von der Schweiz und von Norditalien aus unseren Grenzen. Die italienischen Staaten unter französischer Herrschaft, die Napoleon so stolz gegründet hatte, empfingen die Österreicher mit offenen Armen, und unsere Generäle befinden sich auf panikartigem Rückzug.
An einem jener Nachmittage kehrte Jean-Baptiste besonders spät zurück. »Sie haben mir das Oberkommando in Italien angetragen, ich soll unsere fliehenden Truppen zum Stillstand bringen und wenigstens die Lombardei halten«, murmelte er, während er vom Pferd sprang. Als wir mit dem Kaffee fertig waren, dämmerte es bereits. Er holte eine Kerze und viele Bogen in den Garten und begann zu schreiben. »Nimmst du das Oberkommando an?«, fragte ich einmal dazwischen. Eine fürchterliche Angst griff wie eine kalte Hand um mein Herz und presste es zusammen. Jean-Baptiste sah flüchtig auf. »Wie bitte? Ach so, ob ich das Oberkommando in Italien annehme? Ja, wenn meine Bedingungen erfüllt werden, ich schreibe sie soeben nieder.« Die Feder fuhr wie gejagt über die weißen Bogen. Nachher gingen wir ins Haus, und Jean-Baptiste schrieb in seinem Arbeitszimmer weiter. Ich stellte ihm sein Abendbrot auf den Schreibtisch, aber er bemerkte es nicht. Er schrieb und schrieb. Einige Tage später hörte ich zufällig von Joseph, dass Jean-Baptiste ein ausgezeichnetes Memorandum in Bezug auf die italienische Front Barras übergeben habe. Welche Truppenanzahl nötig sei, um diese Frontzu halten, um richtige Garnisonen anzulegen und von diesen aus in die Schlacht zu marschieren. Aber die Direktoren konnten nicht auf Jean-Baptistes Bedingungen eingehen. Man berief zwar neue Jahrgänge ein, hatte aber weder Waffen noch Uniformen, um die Rekruten auszurüsten. Jean-Baptiste erklärte, dass er unter diesen Umständen die Verantwortung für die italienische Front ablehnen müsse. Worauf Kriegsminister Schérer selbst den Oberbefehl übernahm.
Zwei Wochen später war Jean-Baptiste bereits um die Mittagsstunde wieder zu Hause. Ich half gerade Marie beim Einkochen von Pflaumen und lief ihm nun durch den Garten entgegen. »Ich rieche schrecklich nach Küche, nicht küssen!«, warnte ich. »Wir kochen Pflaumen ein – so viele, dass du den ganzen Winter jeden Morgen
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