Désirée
Pflaumenmarmelade zum Frühstück bekommst«, teilte ich ihm mit. »Aber ich werde gar nicht hier sein, um deine Marmelade zu essen«, sagte er ruhig und trat ins Haus. »Fernand! Fernand – die Felduniform vorbereiten, die Satteltaschen wie üblich packen! Aufbruch morgen früh um sieben. Du stellst dich um neun mit meiner Bagage –« Mehr hörte ich nicht. Jean-Baptiste war im oberen Stockwerk verschwunden. Ich stand noch immer wie gelähmt an der Haustür.
Den ganzen Nachmittag verbrachten wir allein im Garten. Die Sonne wärmte nicht mehr richtig, gestorbene Blätter verdeckten den Rasen. Über Nacht war es richtig Herbst geworden. Ich hielt die Hände im Schoß und hörte Jean-Baptiste auf mich einsprechen. Manchmal ging mir der Sinn seiner Worte verloren, dann lauschte ich nur dem Klang seiner Stimme. Zuerst sprach er zu mir wie zu einem erwachsenen Menschen und dann leise und zärtlich wie zu einem Kind. »Du hast doch immer gewusst, dass ich wieder in den Krieg ziehen werde, nicht wahr? Du bist dochmit einem Offizier verheiratet, du bist eine vernünftige kleine Frau, du musst dich zusammennehmen und tapfer sein …«
»Ich will nicht tapfer sein«, sagte ich.
»Hör zu – Jourdan hat den Oberbefehl über drei Armeen übernommen. Die Donau-Armee, die so genannte Schweizer-Armee und die Observations-Armee. Masséna wird mit der Schweizer-Armee versuchen, den Feind an der Schweizer Grenze zurückzuhalten, ich kommandiere die Observations-Armee und marschiere mit meinen Truppen an den Rhein. Den Rhein will ich an drei Punkten überschreiten – beim Fort Louis du Rhin und bei Speyer und Mainz. Ich habe für die Eroberung und Besetzung des Rheinlandes und der daran angrenzenden deutschen Gebiete dreißigtausend Mann verlangt. Man hat sie mir versprochen. Aber die Regierung wird ihr Versprechen nicht halten können. Désirée, ich gehe mit einer Scheinarmee über den Rhein, ich werde den Feind mit einer Scheinarmee zurückwerfen müssen – hörst du mir zu, kleines Mädchen?«
»Es gibt nichts, was du nicht kannst, Jean-Baptiste«, sagte ich und liebte ihn so sehr, dass mir Tränen in die Augen traten. Er seufzte nur. »Die Regierung scheint leider mit dir einer Meinung zu sein und wird mich mit einem Haufen jammervoll ausgerüsteter Rekruten den Rhein überschreiten lassen.«
»Wir Generäle haben die Republik gerettet, wir Generäle halten sie«, murmelte ich. »Das hat Napoleon einmal zu mir gesagt.«
»Natürlich. Dafür bezahlt die Republik ihre Generäle, es ist nichts Besonderes.«
»Der Mann, bei dem ich heute früh die Pflaumen gekauft habe, hat furchtbar auf die Regierung und unsere Armee geschimpft. Er hat gesagt: ›Solange der GeneralBonaparte in Italien war, haben wir immerzu gesiegt, und die Österreicher haben um Frieden gebettelt. Kaum wendet er den Rücken, um den Ruhm unserer Nation bis an die Pyramiden zu tragen, geht es drunter und drüber.‹ Es ist komisch, welchen Eindruck Napoleons Feldzug auf die einfachen Leute gemacht hat.«
»Ja, und dass Napoleons Niederlage bei Aboukir das Signal für einen Überfall unserer Feinde gebildet hat, scheint deinem Pflaumenhändler nicht aufgegangen zu sein. Und dass Napoleon in Italien zwar Schlachten gewann, aber die eroberten Gebiete nie dauerhaft befestigt hat, auch nicht. Jetzt müssen wir mit lächerlich kleinen Truppenkontingenten die Grenzen halten, und Kamerad Bonaparte sonnt sich mit seinem ausgezeichnet ausgerüsteten Korps am Nil und ist der starke Mann!«
»Eine Königskrone liegt in der Gosse, man muss sich nur bücken, um sie aufzuheben«, sagte ich. »Wer hat das gesagt?« Jean-Baptiste schrie beinahe die Frage.
»Napoleon.«
»Zu dir?«
»Nein, zu sich selbst. Er hat dabei in den Spiegel geschaut. Ich stand zufällig daneben.« Dann schwiegen wir lange. Es wurde so dunkel, dass ich Jean-Baptistes Züge nicht mehr unterscheiden konnte. Maries Wutgeschrei unterbrach schließlich die Stille. »Auf meinem Küchentisch werden keine Pistolen geputzt! Hinaus damit – und zwar sofort!« Dann Fernands begütigende Stimme: »Lassen Sie mich wenigstens hier putzen, ich lade sie erst draußen!« Und Marie: »Hinaus mit den Schießgewehren, sage ich!«
»Benutzt du deine Pistolen in einer Schlacht?«, fragte ich Jean-Baptiste. »Seitdem ich General bin, sehr selten«, kam es aus dem Dunkel. Es war eine lange, lange Nacht. Ich lag viele Stunden allein in unserem breiten Bett und zählte die Glockenschläge der kleinen Kirche von
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