Désirée
bald werden wir Hochzeit halten, ich will versuchen, eine gute Hausfrau zu sein und die Stuben schön zu schmücken und in Ordnung zu halten. Hierher will ich gehören – in dieses winzige Haus, in den Garten mit dem alten Kastanienbaum und den verwilderten Blumenbeeten. Aber nun tauchte wieder das Bild von gespenstisch hohen Sälen vor mir auf. Sporenklirren auf Marmorfliesen, Lakaien verstellen einem den Weg, wenn man von einem Raum in den anderen will.
»Würdest du dich weigern?«, wiederholte Jean-Baptiste.
»Wir werden hier sehr glücklich sein«, flüsterte ich.
»Würdest du dich weigern?«, beharrte er. Ich schmiegte mich an ihn, ich habe mich schon daran gewöhnt, dass die Goldepauletten mein Gesicht zerkratzen. »Ich werde mich nicht weigern«, sagte ich. »Aber ich würde nicht glücklich sein.«
Während ich am Vormittag meines Hochzeitstages mit Marie vor den Küchenschränken kniete und das weiße Porzellan mit den winzigen bunten Blumen, das Jean-Baptiste und ich zusammen ausgesucht haben, einräumte, fragte Marie: »Bist du aufgeregt, Eugénie?« Ein paar Stunden später, als Julies Zofe in der Rue du Rocher mit einem Brenneisen versuchte, meine ungebärdigen Haare in Josephine-Löckchen zu ringeln, bemerkte Julie: »Komisch, ich glaube, du bist gar nicht aufgeregt, Liebling!« Ich schüttelte den Kopf. Aufgeregt? Seit jenem unseligen Augenblick im dunklen Wagen, in dem Jean-Baptistes Hand das einzige Stückchen Wärme in meinem Leben darstellte, habe ich gespürt: Ich gehöre zu ihm. In ein paar Stundenwerde ich meine Unterschrift auf ein Stück Papier im Standesamt von Sceaux setzen und nur bekräftigen, was ich schon lange weiß. Nein, ich war gar nicht aufgeregt. Nach der Trauung kam das Festessen bei Julie, bei dem ich mich so langweilte. Zwischen einer Rede auf das Brautpaar, die Onkel Somis schwitzend vom Stapel ließ, und einem flammenden Aufruf des Redners Lucien Bonaparte, der zwei Kindern der Revolution – Jean-Baptiste und ich waren damit gemeint – alles Gute wünschte, wurde hauptsächlich über Napoleons ägyptischen Feldzug gesprochen. Joseph hatte es sich in den Kopf gesetzt, meinen armen Jean-Baptiste, dem das Thema schon zum Hals herauswächst, davon zu überzeugen, dass die Eroberung Ägyptens ein neuer Beweis für Napoleons Genie ist. Und Lucien, der im Geiste seinen Bruder Napoleon die Menschenrechte über den ganzen Erdball verbreiten sieht, unterstützte ihn.
»Ich halte es für ausgeschlossen, dass wir uns auf die Dauer in Ägypten aufhalten können. Und die Engländer wissen das auch und lassen sich deshalb gar nicht erst auf einen Kolonialkrieg mit uns ein«, erklärte Jean-Baptiste. »Aber Napoleon hat doch bereits Alexandrien und Kairo eingenommen und die Schlacht bei den Pyramiden gewonnen«, schob Joseph ein. »Stört die Engländer nicht wesentlich, nach außen hin steht Ägypten unter türkischer Herrschaft. Die Engländer betrachten unsere Truppen am Nil als vorübergehendes Übel und –«
»Der Feind zählte in der Schlacht bei den Pyramiden 20 000 Tote, wir keine fünfzig«, warf Junot ein. »Grandios …«, murmelte Joseph. Jean-Baptiste zuckte die Achseln: »Grandios? Die glorreiche französische Armee unter Führung ihres genialen Generals Bonaparte hat mit moderner schwerer Artillerie zwanzigtausend halb nackte Afrikaner, die nicht einmal Schuhe an den Füßen hatten,über den Haufen geschossen. Ich muss wirklich sagen – ein grandioser Sieg der Kanone über Speer, Pfeil und Bogen!«
Lucien öffnete den Mund zur Widerrede und besann sich. Die blauen, kindlich strahlenden Augen verdunkelten sich. »Im Namen der Menschenrechte über den Haufen geschossen …«, sagte er traurig. »Der Zweck heiligt die Mittel. Napoleon wird weiter vordringen und die Engländer aus der Mittelmeerzone vertreiben«, erklärte Joseph. »Die Engländer denken gar nicht daran, sich uns zu Land zu stellen. Wozu auch? Sie haben ihre Flotte, und nicht einmal Sie werden bestreiten, dass diese unserer Marine weit überlegen ist. In dem Augenblick, in dem sie die Schiffe, die Bonapartes Armee nach Ägypten gebracht haben, vernichten –« Jean-Baptiste sah sich im Kreis um. »Ja, sehen Sie denn nicht, was auf dem Spiele steht? Eine französische Armee kann jede Stunde vom Mutterland abgeschnitten werden! Dann sitzt euer Bruder mit seinen siegreichen Regimentern in der Wüste wie in einer Mausefalle. Der ägyptische Feldzug ist ein verrücktes Hasardspiel und der Einsatz für
Weitere Kostenlose Bücher