Desperado der Liebe
jedoch nicht wahrzunehmen schien.
»Weißt du, Araminta, querida «, fuhr er ganz beiläufig fort, so als wäre ihm die Idee gerade erst gekommen. »Ich denke, ich werde die Casa Blanca verkaufen. Jetzt, wo die Föderalisten aus Chihuahua abgezogen sind, kann ich mein Land hier wieder in Anspruch nehmen, und unsere Kinder können auf der Casa Grande zur Welt kommen.«
»Araminta, hilf mir hoch!« knurrte Noble plötzlich mit zusammengebissenen Zähnen, als er feststellte, daß bei dieser unverschämten Herausforderung seine Benommenheit und die Schmerzen in der Brust sonderbarerweise abzuklingen be-gannen. Er würde diesem arroganten Banditen, diesem dreisten Desperado, zeigen, aus welchem Holz er, Noble Winthrop, geschnitzt war! Aber er war ein großer, schwerer Mann, und Araminta war nicht stark genug, um ihn allein hochzuziehen.
Für einen langen Moment starrte Noble auf die ausgestreckte bronzene Hand, jene Hand, die im allerletzten Moment beherzt die Pistolenmündung an Aramintas Schläfe beiseite geschlagen hatte, selbst als Noble auf Judd geschossen hatte, so daß die Kugel aus Judds Waffe ins Leere ging und Aramintas Leben und das ihres ungeborenen Kindes verschonte.
»Nun, alter Gringo, hast du dich nun endlich entschieden, ob du heute sterben oder weiterleben wirst? Es ist deine Entscheidung. Es liegt an dir.«
Es liegt an dir. Diese Worte bargen eine zweite Chance, eine Chance, die Fehler der Vergangenheit nicht noch einmal zu wiederholen; die Chance, es diesmal richtig zu machen.
»Heute... heute, junger Mann, werde ich leben«, sagte der alte Mann und ergriff die ausgestreckte Hand.
»Ein weiser Entschluß, alter Gringo«, entgegnete der junge Mann und half Noble beim Aufstehen.
Die junge Frau schaute ihnen stumm dabei zu ; den Kopf ein klein wenig gesenkt, während sie innig der süßen Melodie des spanischen Liebesliedes lauschte, das in ihrem Herzen erklang.
ENDE
Anmerkungen der Autorin
Liebe Leserinnen,
ich wünschte, ich könnte sagen, daß «Desperado« allein das Ergebnis meiner Imagination ist, eine erfundene Geschichte, und daß ich mir all die Greueltaten sowohl der spanischen wie der amerikanischen hacendados gegenüber dem einfachen Volk von Mexiko nur für dieses Buch ausgedacht habe - doch dem ist leider nicht so.
Unglücklicherweise war solche Gewalt nur zu alltäglich und unmittelbare Auswirkung der Mexikanischen Revolution, die 1910 begann und bis etwa 1917 dauerte, als Venustiano Carranza Präsident wurde. Oder 1920, als Alvaro Obregon Präsident wurde; oder 1929, als Pascual Ortiz Rubio Präsident wurde; oder 1940, als Manuel Avila Camacho Präsident wurde; aber man könnte auch sagen, daß sie bis zum heutigen Tage andauert. All diese Jahre waren gekennzeichnet von Aufruhr und Gewalt; die letzte bedeutende Rebellion ereignete sich im Jahre 1938, als Saturnino Cedillo besiegt wurde.
Mexiko ist in vielerlei Hinsicht ein wildes, rauhes und wunderschönes Land. Ich habe es oft besucht; und es erstaunt mich immer wieder, wieviel die Menschen Mexikos über uns Amerikaner wissen, wir hingegen so wenig von ihnen - und das trotz der vielen Hispanos, die bei uns leben. An diesem mangelnden Wissen muß sich in der Tat schleunigst etwas ändern! Immerhin ist Mexiko, wie Kanada im Norden, unser südlicher Nachbar. In der Figur des Generals Rigo del Castillo habe ich versucht, nicht nur den Geist und das Wesen der unterschiedlichen Kulturen Mexikos zum Leben zu erwecken, sondern auch die zärtliche und romantische Seite, die viel zu oft übersehen oder vergessen wird bei all unserer Faszination für »el hombre machísimo«. Weder General Rigo del Castillo noch »la gringa« Araminta Winthrop haben je außerhalb meiner Phantasie existiert.
Was die Darstellung des berüchtigten Pancho Villa angeht, habe ich versucht, mich vornehmlich auf Berichte aus erster Hand zu stützen, auf gezeichnet von jenen, die ihn tatsächlich persönlich gekannt haben. Besonderen Dank schulde ich John Reed, einem bekannten Journalisten und dem Autor von »Zehn Tage, die die Welt erschütterten-, seiner klassischen Reportage über die Sozialistische Revolution, die ihn zum Begründer der modernen Schule kreativen Journalismus machte, vor allem aber seinem Buch »Aufstand in Mexiko«. John Reed berichtete während der Revolution aus Mexiko und begleitete die Armee der Revolutionäre, unter ihnen auch die Villistas. Er kannte Pancho Villa persönlich, und zahlreiche der Begebenheiten, auf die ich mich in
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