Desperado der Liebe
vervollständigte ihre Toilette. Dann klopfte auch schon Mr. Gideon an ihre Tür, um sie zum Essen abzuholen.
Als sie den Flur Richtung Treppe entlanggingen, hörte Araminta, wie hinter ihr die Tür zu einem der anderen Zimmer geöffnet wurde, und wandte sich um. Dort stand Rigo del Castillo in leidenschaftlicher Umarmung mit einer jungen brünetten Frau, deren Gesicht Araminta nicht erkennen konnte, und küßte sie innig. Araminta spürte brennende Röte auf ihren Wangen und drehte sich hastig um ; doch unglücklicherweise brach der General den Kuß in diesem Augenblick ab, schaute zu ihr und sah, wie Araminta ihn und die junge Frau anstarrte, deren Gesicht eng an seine Brust geschmiegt war. Über den Kopf der brünetten Unbekannten hinweg lächelte er Araminta herausfordernd zu, ehe er sich wieder herabbeugte und die Frau in seinen Armen erneut küßte, ohne jedoch dabei den Blick von Araminta abzuwenden. Das Herz klopfte wild in ihrer Brust, und sie eilte so rasch den Flur hinunter, daß sie stolperte. Als sie sich ungeschickt aufrichtete, hallte Rigo del Castillos höhnisches Lachen in ihren Ohren wider.
3. Kapitel
Nach einer herzhaften warmen Mahlzeit im Restaurant des Hotels, bei der Araminta feststellte, wie sehr ihr die mexikanische Küche immer noch mundete, zog sie sich in ihre Suite zurück und gönnte sich ein erholsames Mittagsschläfchen. Die Aufregung, Nervosität und das Rattern des Zuges hatten sie während der langen Fahrt von New York nach Texas keinen Schlaf finden lassen. Und so nickte sie nun völlig erschöpft ein, kaum daß sie sich entkleidet und auf das breite Daunenbett gelegt hatte. Die kühle Brise, die vom Rio Grande durch das offene Fenster wehte, und die sanften Geräusche von der Straße waren wie ein besänftigendes Schlaflied gewesen. Sie war erst einige Stunden später erwacht, als Mr. Gideon an ihre Zimmertür klopfte.
Und jetzt saß sie wieder neben ihm im Automobil ihres Großvaters und genoß den Anblick der Landschaft, während sie nach High Sierra fuhren. Sie hatte ganz vergessen, wie weit und offen das Land hier war, nahezu endlos, so ganz anders als das enge New York. Meilenweit erstreckte sich die Landschaft von West-Texas vor ihr ; doch nicht nur Sand und Lehmboden, sondern auch das grüne, von der Sommersonne trockene und ausgedörrte Grasland der Prärie. Hier und dort ragten Kakteen empor, manche mit kleinen Blüten, von strahlendem Gelb bis zu tiefem Violett. Wie kampfbereite Soldaten standen die Kakteen dort, zeichneten sich in unterschiedlichen Größen vor dem Horizont ab. Steppenläufer säumten die Straße, wo die sterbenden Präriewinde sie im Frühling hingeweht hatten. An den knorrigen Mesquitebäumen bogen sich die schmalen olivefarbenen Blätter an den Enden.
Die Sonne hatte den Zenit überquert und begann den langsamen Abstieg gen Westen.
Dieses karge, wilde Land, dachte Araminta bei sich, hatte wenigen Glück gebracht, war aber so vielen zum Verderben geworden. Hier überlebten nur die Starken, und das nur mit all ihrem Kampfgeist. Als sie den Blick über das Land schweifen ließ, das sich in alle Himmelsrichtungen erstreckte, kam sie sich winzig klein und unbedeutend vor. Dennoch erfreute der Anblick ihr Herz, denn anders als in New York konnte man hier draußen atmen; unter diesem Himmel fühlte man sich grenzenlos frei und hatte das Gefühl, unter der geöffneten Hand Gottes zu stehen. Die Landschaft berührte etwas Lebendiges und Erdiges in ihr, und zum erstenmal fragte sie sich, wie ihr Vater diese Gegend je hatte zurücklassen können. Plötzlich hatte sie das Gefühl, tatsächlich heimgekehrt zu sein, und dieses Gefühl wurde noch stärker, als kurz darauf die Hacienda in Sicht kam.
Es war ein eindrucksvolles, breitgestrecktes zweistöckiges Gebäude, der Mittelpunkt von etwa 60 000 Hektar Land. Das Ziegeldach hatte die Farbe von rotem Lehm, die schweren Holztüren, Fensterläden und Balkone die der rotbraunen Flüsse. Und ringsum erstreckte sich, so weit das Auge reichte, die Ranch ihres Großvaters. In der Ferne ragten die Berge wie Wächter über sein Königreich empor. Unwillkürlich beugte sich Araminta vor, um besser durch die aufgewirbelten Staubwolken blicken zu können, als sie sich ihrem Zielort näherten. In der einen Hand hielt sie den aufgespannten Schirm, mit der anderen hielt sie sich an der Windschutzscheibe fest, als der Wagen durch die Schlaglöcher in der Straße rumpelte, die über die Jahre von Kutschen, Rinderherden und
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