Desperado der Liebe
zu reden, wo Judd sie jeden Moment hätte sehen können, und in Anbetracht seines hitzigen Temperaments und seiner bitteren Animosität gegenüber del Castillo hätte es ganz sicher Ärger gegeben. Außerdem hatte sie, eingedenk der Warnung von Mr. Gideon, verhindern wollen, von Passanten gesehen und erkannt zu werden, weil nicht auszuschließen war, daß sie ihrem Großvater bei Gelegenheit erzählen würden, daß sie seine Enkeltochter zusammen mit dem General gesehen hatten.
»Einen schönen Nachmittag noch, General.« Sie nickte ihm höflich zu, reichte ihm aber nicht die Hand. Ein absichtliches Versehen, das seiner Aufmerksamkeit nicht entging. Für einen kurzen Moment wurde sein Blick hart, und seine Nasenflügel blähten sich, sein Mund wurde zu einer schmalen Linie, und Araminta erzitterte angesichts der Bedrohung, die von ihm ausging.
»Señorita.« Seine Stimme klang spöttisch.
Araminta zwang sich, ihm den Rücken zuzukehren, und ging zum Postschalter, wo sie die erst wenige Tage zuvor gekaufte Mappe öffnete und ein Päckchen hervorzog, das sie am Abend zuvor in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers eingewickelt und adressiert hatte. Es enthielt einen Artikel, den sie über das Leben auf der High Sierra geschrieben hatte, ferner drei Kohlezeichnungen. Sie hatte die Ranch nicht mit Namen erwähnt, sondern die Geschichte eher allgemein gehalten, weil sie nicht wollte, daß ihr Großvater von ihrem journalistischen Versuch erfuhr und ihr Steine in den Weg legte, ehe sie überhaupt angefangen hatte. Daher hatte sie ihren Artikel auch unter dem Pseudonym A. K. Munroe verfaßt, den Initialen ihrer beiden Vornamen - Araminta Katherine - und dem Mädchennamen ihrer Mutter. Adressiert war die Sendung an Liam O'Grady beim Record in New York City; und sie enthielt überdies ein kurzes Begleitschreiben, das jedoch keinerlei Hinweis darauf gab, daß sie und A. K. Munroe ein und dieselbe Person waren, auch wenn Araminta das Gefühl hatte, daß Liam von sich aus drauf kommen würde.
Aus dem Täschchen, das an ihrem linken Handgelenk baumelte, zog Araminta das nötige Geld für die Briefmarken hervor und ließ, sich Rigo del Castillos Anwesenheit sehr wohl bewußt, den Postbeamten hinter dem Schalter mit gesenkter Stimme wissen, daß sie auch ein Postfach für A. K. Munroe eröffnen wollte. Da der Postbeamte - wie jedermann in West-Texas - wußte, daß sie Noble Winthrops Enkeltochter war, war Araminta so nervös, als wäre sie eines Verbrechens schuldig und stünde kurz davor, ertappt zu werden. Der neugierige und beinahe vorwurfsvolle Blick des Mannes hinter dem Schalter verstärkte ihre Nervosität noch. Araminta hatte das Gefühl, als wüßte er genau, daß das Postfach für sie war.
»A. K. Munroe? Kenne niemanden in der Gegend, der so heißt. Ist das ein Freund von Ihnen, Miss Winthrop?«fragte der Postbeamte, ein spindeldürres Kerlchen mit einer ebensolchen Stimme, etwas zu forsch.
»Ich glaube nicht, daß dich das etwas angeht, Pimby, oder?«
Rigo del Castillo stellte diese Frage ganz ruhig, aber dennoch mit einer unmißverständlichen Schärfe im Ton und stellte sich neben Araminta. Ohne sich für sein Einmischen in ihre Angelegenheiten zu entschuldigen, lehnte er sich auf den Schaltertresen, den Blick fest auf Pimby gerichtet. Der erbleichte und schluckte hart, zerrte an seinem Hemdkragen, als wäre er ihm zu eng am Hals. »Diese Kundin hier möchte ein Postfach für A. K. Munroe. Also gib ihr eins, pronto, und keine Frage, kein Sterbenswörtchen darüber, comprende ?«
»Ja, General. Sofort, General.«
Ohne weitere Mätzchen teilte der Postbeamte Araminta ein Postfach unter dem fiktiven Namenzug, den sie angegeben hatte. Sie war erleichtert, daß es keine allzu großen Scherereien gegeben hatte und sie sicher sein konnte, daß Pimby zu niemandem ein Wort darüber verlor. Aber gleichzeitig ärgerte es sie, daß sie nun in Rigo del Castillos Schuld stand, denn es war klar, daß sie ohne sein Eingreifen das Postfach nicht so prompt bekommen hätte, wenn überhaupt - und dies, nachdem sie ihn vor dem Gebäude so beleidigt hatte, als sie ihm den Handschlag verweigert hatte. Warum hatte er ihr geholfen, fragte sie sich, obwohl sie ihn doch so unfreundlich behandelt hatte? Wahrscheinlich nahm er an, daß sie etwas gegen den Willen ihres Großvaters tat, und wollte sie deshalb darin unterstützen, nur um ihn zu ärgern. Doch auch wenn der Beistand des Generals vermutlich aus einem weniger noblen Beweggrund
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