Desperado der Liebe
wurde, und schon bald begriff sie, daß damit nicht Judds Vater, Frank Hobart, gemeint war, sondern ihr Großvater, Judds Patenonkel. Sosehr sich Nobles Sohn Preston geweigert hatte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, so willig hatte Judd Prestons Platz eingenommen. Und Araminta begriff auch sehr rasch, daß eine Vereinigung der High Sierra und des Chaparral die größte und reichste Ranch des ganzen Landes hervorbringen würde, eine Aussicht, die ein Mann wie Judd wohl kaum ignorieren konnte. Mehr als einmal fragte sie sich, ob er ihr auch dann so hartnäckig den Hof machen würde, wenn sie nicht Nobles einzige Erbin wäre; und es verletzte sie tief, wenn sie bedachte, daß die Antwort darauf wahrscheinlich ein Nein war.
Und so schlug sie seine Einladungen zwar nicht aus, hielt ihn aber auf Distanz, womit sie ihn, ohne es zu wollen, noch mehr anstachelte und weiteres Öl auf die Flammen seines Verlangens goß. Judd hatte mit gelegentlichen wohlverteilten Bemerkungen den anderen Männern klargemacht, daß er Araminta als seine Errungenschaft betrachtete und es nicht zulassen würde, daß jemand anderes sein Glück bei ihr versuchte. Noble macht mit wenigen, wohlüberlegten Worten mehr als deutlich, daß er niemand anderen als Ehemann für seine Enkeltochter akzeptierte. Damit hätte Judd freie Bahn gehabt, wenn da nicht Araminta gewesen wäre, die es ihm so schwermachte, ans Ziel seiner Träume zu gelangen. Frustriert wie er war, hätte er keine Skrupel gehabt, sie zu verführen oder mit Gewalt zu nehmen, wenn Noble nicht unmißverständlich klargemacht hätte, daß er von Judd erwartete, daß er um Araminta warb, wie es sich gehörte.
»Ich will keinen Skandal haben, der den Namen der Winthrops oder den meiner Enkeltochter beschmutzt, Judd«, hatte Noble ihn eines Abends auf der High Sierra gewarnt, während er zwei Schwenker mit Brandy füllte.
Die beiden Männer hatten sich nach einem späten Abendessen, bei dem Judd als einziger Gast gewesen war, auf einen Drink und eine Zigarre in Nobles Arbeitszimmer zurückgezogen. Bei dieser Warnung senkte Judd, der die meisten Männer in Grund und Boden starren konnte, unbehaglich den Blick und tat so, als würde er sich ganz darauf konzentrieren, seine Zigarre anzuzünden. Er wedelte das Streichholz aus, nahm einen tiefen Zug und stieß eine bläuliche Rauchwolke aus.
»Ich weiß gar nicht, wovon du redest, Noble.« Sein Ton war sorgsam gelassen, aber er konnte seinem Patenonkel nichts vormachen.
»Hör bloß auf«, schnaubte Noble und reichte ihm eins der Gläser. »Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen. Nicht nur Frank mußte all die Jahre in die Tasche greifen und deine Weibergeschichten aus der Welt schaffen, wodurch er dich vor dem Kittchen bewahrte, ganz zu schweigen davon, daß du sonst wohl schon längst am Galgen gebaumelt hättest. Vergiß das niemals, Junge, hörst du?«
»Ja, Sir.«
»Das will ich auch für dich hoffen.« Noble nahm einen Schluck von seinem Brandy, ehe er fortfuhr. »Meine Güte, Judd, ich hab ja gar nichts dagegen, daß du dir die Hörner abstößt; schließlich hat jeder richtige Mann so seine Bedürf-nisse. Das versteh ich. Aber... um Himmels willen, wenn du unbedingt deinen Spaß haben willst, dann treib es gefälligst mit Weibsstücken vom Personal oder mit Huren. Die verdienen schließlich ihr Geld damit; sie erwarten es so - Teufel, der Hälfte von denen gefällt es sogar -, und es kümmert sich niemand einen Scheißdreck drum, was aus ihnen wird. Aber ich hab dir schon tausendmal gesagt: Finger weg von den Ladies! Sonst könnte es passieren, daß eines Tages ein Kerl kommt, dem es gar nicht paßt, daß ein Fuchs in seinem Hühnerstall gewildert hat, und dann schießt er dich über den Haufen und schneidet dir den Schwanz ab als Trophäe.«
Als Judd sich nun an diese Worte erinnerte, mußte er tief seufzen. Er gab dem Ober ein Zeichen, ihm noch einen Whiskey zu bringen. Wer hätte gedacht, daß Noble so spät noch das Gewissen schlagen würde, zumindest was seine Enkeltochter betraf. Aber warum hatte er sie dann überhaupt zurückgeholt? Kein Zweifel, Noble wurde weich auf seine alten Tage. Seit Jahren schon hatte sich Judd darauf verlassen, eines Tages die High Sierra zu erben. Doch mit Aramintas Erscheinen schienen sich seine Chancen verschlechtert zu haben, wenn er sie nicht schleunigst vor den Altar und ins Bett bekam. Je länger sie alleinstehend blieb, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, daß ihr ein
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