Desperado der Liebe
anderer Mann den Kopf verdrehte und ihm, Judd, die High Sierra durch die Lappen ging. Das durfte er nicht zulassen. Er hatte nicht all die Jahre Nobles cholerische Anfälle und Launen ertragen, um sich dann von einer Frau, so schön und begehrenswert sie auch sein mochte, von der Ranch vertreiben zu lassen. Daß Araminta ihn starrköpfig weiterhin zappeln ließ, verletzte seine Ehre und seine Eitelkeit. Nur mit allergrößter Mühe hielt er seine Wut im Zaum, als er sie nun über den Tisch des Cafés hinweg musterte, in das er sie während ihrer Besorgungsfahrt nach El Paso zum Essen eingeladen hatte.
Wegen der Hitze hatte es Araminta vorgezogen, draußen im Schatten des Portikus zu sitzen, und Judd mußte trotz seiner grimmigen Gedanken zugeben, daß sie eine wahre Augenweide war. Hätte er eine romantische Ader besessen, hätte er sie vielleicht mit einer blühenden Rose verglichen, denn während der vergangenen Wochen hatte ihr Teint von der Sonne einen rosigen und goldenen Glanz bekommen; nun überzog Schweiß ihr Gesicht. Doch kam sie ihm trotz der Hitze so abweisend und kühl vor, als bestünde sie aus Eis, und er sehnte sich mehr denn je danach, herauszufinden, ob unter ihrer frostigen Oberfläche ein Feuer schlummerte. In Gedanken riß er ihr den blumengeschmückten Hut vom Kopf und das mintgrüne Kleid vom Leib; er stellte sie sich nackt vor, sich windend und bebend unter ihm, das lange, blonde Haar zerzaust, den Kopf zurückgeworfen, ihre vollen, reifen Brüste bei jedem Keuchen hin und her schwingend. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sie quer über die Straße ins nächstbeste Hotel gezerrt und sie dort genommen. Er hatte nichts dagegen, sie zu heiraten, denn auf diese Weise bekam er auch die High Sierra in die Hände. Was ihm aber etwas ausmachte, war ihr Hinhalten und ihre Ziererei, die ihn wie einen dummen Schuljungen aussehen ließen, und er verübelte Araminta das Spiel, das sie seiner Meinung nach mit ihm spielte.
Sie selbst wäre überrascht und schockiert gewesen, hätte sie gewußt, was Judd in diesem Moment durch den Kopf ging, weil es ihr nicht im mindesten gerecht wurde. In Wahrheit wollte Araminta, auch wenn es der ausdrückliche Wunsch ihres Großvaters war, daß sie Judd heiratete, einfach nur sicher sein, daß er der Richtige war, ehe sie mit ihm den Bund fürs Leben einging. Und sie wußte nicht, wie sie das herausfinden sollte, wenn sie außer ihm keinen Verehrer hatte. Daß Judd und ihr Großvater unter einer Decke steckten und verhinderten, daß ein anderer Mann um sie warb, wußte Araminta, und das ärgerte sie maßlos. Sie haßte es, daß ihr keine andere Wahl blieb und die Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Meinung gefällt worden war. Sie würde sich auf keinen Fall gegen ihren Willen vor den Altar zerren lassen.
Wenn ihr Großvater auch oft nachdrücklich behauptete, er könne jeden Moment sterben, glaubte sie, daß es noch lange nicht soweit war, und sah daher keinen Grund, Judds Drängen nachzugeben. Sein Verhalten erinnerte sie an die erpresserischen Strolche aus dem Zeitungsverlagviertel in New York City, und manchmal glaubte sie ihn zu hassen. Doch dann bekam sie ein schlechtes Gewissen und schalt sich, daß sie ihm gegenüber unfair war und daß er nicht schlimmer war als jeder andere Mann in Texas, ihr Großvater eingeschlossen. Ihr innerer Zwiespalt ließ sie unentschlossen erscheinen, und da sie mit Männern bislang wenig Erfahrung hatte, war ihr nicht klar, wie sehr sie Judd mit ihrem Verhalten gleichermaßen verärgerte wie entflammte. Sie spürte nur, wie sehr es in ihm brodelte und daß in ihrem Herz ein Wirrwarr der Gefühle herrschte. Gerade erst zwölf fahre alt, als ihre Eltern starben, klammerte sie sich mit aller Kraft an die Erinnerung ihrer märchenhaften Liebe, einer Liebe, die heller gestrahlt hatte als die Sonne selbst. Sie sehnte sich nach mehr als das, was Judd ihr an Zuneigung entgegenbrachte. Er liebte sie nicht, und daran änderten weder seine leidenschaftlichen Worte, die er ihr im Mondschein beim Spaziergang durch den Garten ins Ohr flüsterte, noch seine fiebrigen Küsse etwas, die er ihr gab, bevor sie sich, zitternd vor Verlangen und Verwirrung, befreite. Er begehrte sie, mehr nicht, er wollte sie haben, so wie er die High Sierra haben wollte. Das wußte Araminta instinktiv, und deshalb weigerte sie sich, seine Frau zu werden.
Sie unterdrückte einen Seufzer, vertrieb ihre trüben Gedanken und erhob sich. Vor dem Essen hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher