Desperado der Liebe
gegenüber stets wie ein Gentleman benahm - wenn er wirklich ein Bandolero war oder gar ein Mörder, dann begab sie sich jedesmal in große Gefahr, wenn sie sich mit ihm traf. Gewiß hatte er einen ihr bislang unbekannten Grund, ihre Nähe zu suchen; ein Motiv, das mit seiner Feindschaft zwischen ihm, ihrem Großvater und Judd Hobart zu tun hatte. Doch so sehr sie sich auch vornahm, sich nicht mehr mit Rigo zu treffen, war die Versuchung mitunter einfach zu groß; hin und wieder ritt sie frühmorgens zum Bach, wo Rigo sie meist schon erwartete. Wenn sie von ihm in seinen teuflischen Bann gezogen war, dann schien er nicht minder von ihr verhext.
»Sie sind so ganz anders, als ich mir die Enkeltochter von Noble Winthrop vorgestellt habe«, sagte er einmal zu ihr, und ein Muskel zuckte um sein Kinn, als verüble er ihr das. Seine nächsten Worte bestätigten ihre Vermutung. »Es gefällt mir gar nicht, daß Sie so sind, wie Sie sind.«
»Ach? Und wieso nicht?«fragte Araminta, auch wenn sie die Antwort darauf bereits zu wissen glaubte. Zweifellos wäre es ihm lieber, wenn sie häßlich, eitel und albern wäre. Dann hätten die beiden nichts gemeinsam gehabt, dann gäbe es nicht diese sonderbare, aber nicht zu leugnende gegenseitige Faszination, die den ansonsten kristallklaren Kurs ihrer beider Leben durcheinanderbrachte.
»Weil es leichter wäre, wenn Sie so wären wie jede andere Gringa aus Ihrer Schicht.«
»Leichter? Inwiefern? Und wieso bin ich anders als die anderen? «
»Sie... verwirren mich, Señorita. Sie sind starrköpfig, haben einen eigenen Willen, geben keine Ruhe. Und wenn Sie sich etwas widmen, dann tun Sie es mit ganzem Herzen, denke ich. Eine Mischung, von der ich fürchte, daß sie sich eines Tages gegen Sie wenden wird. Texas, Mexiko... das sind Länder, die es nicht gerade gut mit Menschen meinen, die hier leben, und wer es hier aushält, der ist stark und hart. Hier lernt man, alles zum Überleben Notwendige zu tun.«
»Und Sie glauben, das könnte ich nicht?« fragte sie beunruhigt, daß er sie so gut durchschaute, als könnte er in ihr Herz blicken und ihre Gedanken lesen.
Für einen Moment verharrte Rigo so schweigsam, daß sie schon glaubte, er werde ihr darauf nicht antworten. Doch dann sagte er langsam und bedächtig: »Doch, ich denke, das können Sie. Aber ich fürchte, es könnte ein schmerzhafter Lernprozeß für Sie werden - und eigenartigerweise macht mir der Gedanke daran... Sorgen.«
In seinen Augen lag ein eigentümlicher, abwesender Blick, als er dies sagte, so als könne er in die Zukunft schauen und als wisse er, daß es keine glückliche Zukunft war. Es war ein unbehaglicher Moment, und Araminta spürte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Doch sosehr sie auch versuchte, nachzuhaken, er führte seine beunruhigende, rätselhafte Bemerkung nicht weiter aus, sondern erhob sich plötz-lich und ritt davon, was sie derart verwirrte und verletzte, daß sie wieder einmal glaubte, daß sie ihn im Grunde verachtete.
Sie stieg auf ihr Pferd und ritt heim, wütend auf Rigo und noch wütender auf sich selbst, weil sie sich dennoch so stark von ihm angezogen fühlte. Sie nahm sich fest vor, ihn nie mehr wiederzusehen. Mit ihren Treffen fiel sie ihrem Großvater in den Rücken und Judd ebenso, und überdies war es ein Verrat an ihrer Herkunft. Eine Dame schlich sich nicht heimlich aus dem Haus, um sich mit einem verrufenen Mann zu treffen, und ganz gewiß war sie aus besserem Haus als er. Sie verstand nicht, was in sie gefahren war, daß sie sich derart schamlos und unverantwortlich benahm und so gar nicht auf ihren Ruf und ihre körperliche Unversehrtheit bedacht war. Sie mußte sich Rigo ein für allemal aus dem Kopf schlagen, ehe es zu spät war.
Wenn ihr Großvater und Judd jemals von ihren Zusammenkünften mit dem General erfahren sollten - Araminta erschauerte bei dieser Vorstellung -, wäre ihr Zorn sicher grenzenlos. Judd besaß ein hitziges Temperament und war ihr gegenüber so besitzergreifend geworden, daß er Rigo glatt umbringen würde. Mehr und mehr bedrängte er sie, ihn endlich zu heiraten, doch auch wenn sie einsehen mußte, daß es der perfekte Plan zu sein schien, weil durch die Heirat die High Sierra und der Chaparral vereint würden, zögerte Araminta.
Ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, daß sie, wenn ihr Erbe nicht von einer Heirat abhinge und ihr Großvater ihr die Ranch auch so vermachen würde, niemals in der Lage wäre, die High Sierra
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