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Dessen, S

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Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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verteidigen würde. Und was mich noch mehr verblüffte, ja geradezu schockte, war, dass ich Dankbarkeit dafür verspürte. Auch wenn das Gefühl so schnell wieder verflog, wie es in mir aufgestiegen war.
    Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr: Es war Viertel nach zwölf, für meine Verhältnisse also richtig früh. Die ganze Nacht lag vor mir. Direkt hinter mir auf der Küchentheke stand die Kaffeemaschine, schon vorbereitet fürs Frühstück, Wasser und Kaffeepulver eingefüllt, man brauchte bloß noch auf den Knopf zu drücken. Es war nicht
Ray's
, aber es kam nah genug dran. Deshalb drehte ich mich um, betätigte den Schalter, und während der Kaffee durchlief, setzte ich mich an den Tisch, schlug Heidis Scheckheft auf und begann, Anhaltspunkte für den Überblick zu suchen, den sie verloren hatte.

Fünf
    »Hi, Aud, ich bin’s. Wie läuft’s so bei dir?«
    Laut und munter drang die Stimme meines Bruders durchs Handy, unterlegt von einem dröhnenden Bassrhythmus im Hintergrund. Ich war ziemlich sicher, dass Hollis sich auch an anderen Orten als in Kneipen aufhielt. Allerdings rief er mich nie von diesen Orten an.
    »Gut. Nichts Besonderes.« Ich sah auf meine Uhr. Es war halb neun, bei ihm also schon weit nach Mitternacht. »Ich wollte gerade los, zur Arbeit.«
    »Arbeit?«, wiederholte er in einem Ton, als wäre das ein Fremdwort. Was es für ihn in gewisser Weise ja auch war. »Ich dachte, du machst dir einen faulen Sommer und tust nichts, außer am Strand abzuhängen.«
    So ähnlich hatte meine Mutter das auch formuliert. Und es war eindeutig kein Zufall, dass Hollis es wiederkäute. Den Einfluss, den sie gegenseitig aufeinander ausübten, konnte man fast manipulativ nennen. Gruselig. Sie waren so eng miteinander verbunden, dass man die Nähe sogar als Außenstehender wahrnahm. Meine Mutter führte es auf die zahl- und schlaflosen Nächte zurück, die sie miteinander verbracht hatten, als Hollis ein Säuglingwar. Aber ich fragte mich, ob es nicht eher daran lag, dass Hollis einfach ein Händchen für Frauen hatte und die allererste in seinem Leben – seine Mutter – keine Ausnahme bildete.
    »Das mit der Arbeit war nicht geplant«, antwortete ich, während die Musik im Hintergrund erst lauter und dann wieder leiser wurde. »Es hat sich einfach ergeben.«
    »Ätzend«, sagte er. »Man passt eine Sekunde lang nicht auf und schon passiert einem so ein Mist. Wie ein Angriff aus dem Hinterhalt. Immer schön wachsam bleiben, das weißt du doch.«
    Ja, das wusste ich. Andererseits – wenn ich an meine jetzige Lage dachte, war es nicht wirklich überraschend, dass und wie ich da hineingeraten war. Im Gegenteil, ich hatte mich sehenden Auges hineinmanövriert. Wenn hier jemand »schuld« war, dann einzig und allein ich selbst.
    »Ich fasse es nicht!«, hatte Heidi ausgerufen, als ich an dem Tag nach der Nacht, in der ich mich mit ihrer desolaten Buchhaltung beschäftigt hatte, unten in der Küche erschien. Wie immer lag sie bereits auf der Lauer, das Baby im Tragegurt umgeschnallt. »Als ich gestern Abend ins Bett ging, herrschte hier das absolute Chaos, aber dann, heute Morgen, war alles   … Das Rätsel ist gelöst. Du bist ein Genie! Woher wusstest du überhaupt, wie man das anstellt?«
    »In den letzten Sommerferien habe ich eine Zeit lang für eine Buchhaltungsfirma gejobbt«, sagte ich und holte die Kaffeedose aus dem Schrank. »War nicht so schwierig.«
    »Ich habe gestern Abend zwei geschlagene Stunden damit verbracht, die Eintragungen im Scheckheft zu überprüfen«, sagte sie und gestikulierte wie wild mit dem Heft herum. »Trotzdem bin ich einfach nicht dahintergekommen. Woher hattest du bloß die Eingebung, dass es etwas mit doppeltem Steuerabzug zu tun haben könnte?«
    Ich stellte die Kaffeemaschine an und wünschte mir im Stillen, ich hätte zumindest schon eine Tasse intus.
    »Wenn man die Liste der ausgestellten Schecks und die Kontoauszüge miteinander vergleicht, sieht man schnell, dass es letzten Mai schon einmal passiert ist«, sagte ich daher. »Deshalb dachte ich mir, warum nicht wieder? Und als ich mir daraufhin die Steuerunterlagen angeschaut habe   …«
    Sie fiel mir ins Wort: »Da war ja auch das totale Durcheinander! Ich habe überhaupt nicht mehr durchgeblickt. Dafür ist jetzt alles geordnet. Wofür du doch bestimmt Stunden gebraucht hast.«
    Vier, dachte ich. Und antwortete: »Nein, war halb so schlimm.«
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf und sah zu, wie ich mir Kaffee

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