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Dessen, S

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Titel: Dessen, S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Because of you
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nicht mitten in ihren Streit hineinlatschen.
    »Ich wünsche mir doch bloß   …«, sagte Heidi mit erstickter Stimme.
    Dann: gar nichts mehr. Die Stille war beinahe unerträglich. Schließlich beendete mein Vater sie: »Du wünschst dir bloß was?«
    »Ich weiß nicht«, entgegnete sie. »Ich möchte nur   … Ich dachte, du würdest
gern
mehr Zeit mit uns verbringen.«
    »Ich bin ununterbrochen hier, Heidi«, sagte mein Vater. Knapp, ausdruckslos.
    »Ja, aber bloß in deinem Arbeitszimmer. Du beschäftigst dich nie mit Thisbe. Läufst nie mit ihr auf dem Arm herum oder stehst nachts für sie auf oder   –«
    »Wir haben das doch alles ausführlich besprochen, als du schwanger wurdest«, erwiderte mein Vater mit erhobener Stimme. »Ich hab damals ausdrücklich gesagt, wenn ich nicht meine neun Stunden Schlaf bekomme – und zwar am Stück   –, bin ich am nächsten Tag zu nichts zu gebrauchen. Das muss dir klar gewesen sein.«
    »Okay, aber tagsüber könntest du sie schon mal nehmen. Oder wenigstens an den Vormittagen, damit ich mich um meine Arbeit kümmern kann   …«
    Mein Vater fiel ihr ins Wort: »Haben wir nicht auch darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass ich mit dem Manuskript in diesem Sommer fertig werde? Dass ich während des Semesters nicht in Ruhe schreiben kann, die Ferien deshalb dringend brauche, weil sie meine einzigeChance sind, an meinem Roman zu arbeiten, ohne ständig unterbrochen zu werden.«
    »Ja, natürlich, aber   …«
    Er redete einfach weiter: »Aus dem Grund habe ich auch schon mehrmals vorgeschlagen, dass wir uns eine Tagesmutter suchen. Oder einen Babysitter. Aber du weigerst dich ja.«
    »Ich brauche keine Tagesmutter, nur ab und zu mal eine Stunde Zeit.«
    »Dann frag Auden! Deshalb hast du sie doch zu uns eingeladen, oder etwa nicht?«
    Ich hatte das Gefühl, man hätte mich geohrfeigt, und zwar
wirklich
– so physisch war meine Reaktion: Blut stieg mir ins Gesicht, meine Wange fühlte sich heiß an.
    »Ich wollte Auden nicht hierhaben, damit sie den Babysitter spielt«, antwortete Heidi.
    »Und weshalb dann?«
    Erneutes, langes Schweigen. Dieses Mal war ich allerdings froh darüber, denn manchmal konnte eine Frage weher tun als die Antwort. Und damit musste ich erst mal klarkommen.
    Schließlich meinte Heidi: »Aus demselben Grund, aus dem ich möchte, dass du mehr Zeit mit dem Baby verbringst. Weil Auden deine Tochter ist. Und weil es ganz natürlich wäre, dass du mit ihr zusammen sein willst.«
    »Verflucht«, sagte mein Vater. »Glaubst du wirklich   …«
    Doch was nun folgte – und es folgte garantiert eine Menge, schließlich begnügte Dad sich nie mit einem Satz, wenn er einen ganzen Sermon unterbringen konnte   –, ersparte ich mir. Ich war längst an einem Punkt, wo ich esnicht mehr ertragen konnte, weiter zuzuhören. Deshalb kramte ich meine Schlüssel aus der Tasche, stürzte zum Auto und stieg ein.
    Drei Stunden lang kurvte ich in der Gegend herum, durch die Straßen von Colby, rauf zum College, runter zum Pier und wieder zurück. Die Stadt war zu klein, um sich darin zu verfahren, doch ich tat mein Bestes. Und als ich schließlich wieder in die Zufahrt zum Haus einbog, vergewisserte ich mich, dass kein Licht mehr brannte, ehe ich überhaupt darüber nachdachte hineinzugehen.
    Ich trat ein, schloss die Tür hinter mir. Es war still. Wenigstens bemerkte ich keine Anzeichen heftiger Auseinandersetzung: Nein, der Kinderwagen stand friedlich neben der Treppe, über dem Geländer hing ordentlich zusammengefaltet eine der Baumwollwindeln, die Heidi als Spucktücher benutzte, der Schlüsselbund meines Vaters lag auf dem Tisch bei der Tür. Nur eins war anders als vorher: Auf dem Küchentisch stapelten sich Heidis Scheckhefte, diverse Unterlagen, ein paar Schreibblöcke. Offenbar hatte sie versucht dahinterzukommen, was mit ihrem Geschäftskonto schiefgelaufen war, denn auf einem der Blöcke stand: »STEUERN ABGEZOGEN?«, außerdem »EINZAHLUNG 11. 6.?« sowie »ALLE ÜBERWEISUNGEN UND SCHECKS SEIT APRIL ÜBERPRÜFEN – IRGENDWELCHE FEHLER?« Sehr weit war sie allerdings wohl nicht gekommen, dazu wirkte alles zu unordentlich, Zeichen einer verzweifelten, aber vergeblichen Anstrengung.
    Während ich den Papierhaufen betrachtete, sah ich plötzlich wieder ihren verletzten Gesichtsausdruck vormir, als ich sie angefaucht hatte; erinnerte mich außerdem daran, was sie zu meinem Vater über mich gesagt hatte. Nie hätte ich damit gerechnet, dass sie mich

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