Detektivin Anfang 30 sucht Auftraege
verputztes Mauerwerk, Bögen und Innenhof mit Brunnen. Emily hatte das Apartment Nr. 2 im Erdgeschoß, gleich neben der Hausmeisterwohnung. Ich blickte mich um. Keine Menschenseele war zu sehen. Ich steckte den Schlüssel ins Schloß. Mich plagten Gewissensbisse, und ich war nervös. Leichen sind kein vergnüglicher Anblick, und ich war nicht sicher, was mich hinter dieser Tür erwartete.
Mein Herz klopfte heftig, und ich fühlte, wie mein Nacken feucht wurde. Obwohl Emily die Wohnung beschrieben hatte, brauchte ich einige Minuten, bis ich mich zurechtfand. Der Raum, in dem ich stand, war ein kombiniertes Wohn- und Eßzimmer. Eine langgestreckte Theke stellte die Verbindung zur dahinterliegenden Küche her. Grün und Goldgelb waren die vorherrschenden Farben, und die Polstermöbel sahen bequem aus. Einige Spielsachen lagen herum, doch ansonsten sah alles sauber und ordentlich aus.
Ich durchquerte das Wohnzimmer. Links ging ein kurzer Korridor ab, der zu einem Badezimmer führte. Nach Emilys Beschreibung lag ihr Schlafzimmer links und Altheas Zimmer rechts von diesem Korridor. Beide Türen waren geschlossen. Ich ertappte mich dabei, wie ich auf Zehenspitzen den Gang entlangschlich und einen Moment vor Altheas Tür stehenblieb. Dann legte ich ein Papiertaschentuch über den Griff und öffnete.
Vorsichtig sah ich hinein: zartrosa Wände, Spielzeugregale, Stofftiere auf dem Fensterbrett, ein weißes Kinder-Himmelbett.
Und keine Leiche.
Ich starrte verdutzt auf die Tür. War ich nicht im richtigen Zimmer?
Ich probierte die gegenüberliegende Tür, doch die war, wie Emily gesagt hatte, verschlossen. Verwirrt kehrte ich in Altheas Zimmer zurück. Was wurde hier gespielt? Das Bett sah unberührt aus, die Überdecke fleckenlos weiß, die Kissen waren aufgeschüttelt. Vorsichtig zog ich die Bettdecke zurück und betrachtete prüfend das Bettuch. Von Blut keine Spur. Unter dem Leintuch lag eine Gummiunterlage, offenbar um die Matratze zu schützen, wenn Althea nachts gelegentlich ein kleines Mißgeschick passierte. Als ich schließlich auch die Gummiunterlage zurückschlug, kamen auf der Matratze weder Blutspuren noch Einschußlöcher zum Vorschein. Ich machte das Bett, strich den Überwurf glatt und schüttelte die Zierkissen auf.
Dann ging ich nachdenklich aus dem Zimmer und zum Telefon, das ich in der Küche entdeckt hatte. Ich legte auch hier ein Papiertaschentuch über den Hörer und hob ab. Die Leitung war tot. Ich verließ die Wohnung. Draußen war noch immer niemand zu sehen. Vorsichtig drückte ich mich an der Außenmauer entlang bis zu den Fenstern, die zu Emilys Schlafzimmer gehören mußten. Die Vorhänge waren einen Spaltbreit geöffnet. Ich spähte hinein. Alles schien in bester Ordnung zu sein. Von einer Leiche keine Spur.
»Kann ich irgendwie behilflich sein ?«
Ich wirbelte herum. Vor mir stand eine Frau und musterte mich argwöhnisch. Sie war Mitte Vierzig, eine welke Schönheit mit tiefen Falten um Augen und Mundwinkel.
»Mein Gott, Sie haben mich zu Tode erschreckt !« entfuhr es mir atemlos.
»Das sehe ich .«
»Hören Sie, es ist nicht so, wie Sie denken. Ich wollte wirklich nicht einbrechen. Emily Culpepper hat mir ihre Wohnungsschlüssel gegeben, damit ich etwas für sie überprüfe .«
»Aha. Und das wäre ?« fragte sie.
»Ich bin Privatdetektivin. Hier ist mein Ausweis .«
Ich zog die in Plastik eingeschweißte Kopie meiner Lizenz mit diesem schrecklichen Foto von mir aus der Handtasche. »Ich bin Kinsey Millhone«, fuhr ich fort, tippte mit dem Finger auf die Namenszeile und überließ ihr den Ausweis zur näheren Betrachtung. Ich hoffte, sie würde so etwas sagen wie: >Das Foto ist Ihnen aber gar nicht ähnlich<, doch sie schwieg. Schließlich gab sie mir meinen Ausweis unwillig zurück. »Trotzdem haben Sie mir noch nicht erklärt, was Sie hier eigentlich suchen .«
»Die Schlafzimmertür ist verschlossen. Ich wollte nachsehen, ob vielleicht jemand drin ist. Sind Sie Emilys Nachbarin ?«
»Die Hausmeisterin. Pat Norman.«
»Kennen Sie Emilys Freund Gerald ?«
»Gerry. Ja. Den kenne ich .« Sie beäugte mich weiterhin mißtrauisch, so als traue sie mir zu, jederzeit eine Gummischlange aus dem Ärmel zu zaubern und sie aus purem Übermut zu erschrecken.
»Dann wissen Sie vermutlich Bescheid«, fuhr ich fort. »Emily hatte angeblich gestern Krach mit Gerald und ist dann wütend davongefahren. Heute morgen ist sie nach Hause gekommen und hat Gerald im Bett ihrer Tochter
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