Deutschboden
betreffend: »Lustig muss es sein, schön bunt, bisschen feddich. Das harte Zeug, zerfressene Kinder, Kalaschnikows, Todesbotschaften von al-Qaida, das lassen sich doch nur die Harmlosen tätowieren. Ich muss mich nicht profilieren. Ich muss mich nicht als harter Hund darstellen.«
Er setzte sein Glas so heftig ab, dass das Bier spritzte. Raoul tippte dem Reporter an den Arm, als sei ihm in der Sekunde eine Ungeheuerlichkeit eingefallen:
»Du! Ich habe deinen Namen auf meinem Arsch stehen.«
Der Reporter staunte.
Der Reporter verstand nicht.
Raoul, mit großer Freude: »Nein, ganz im Ernst. Dein Name steht auf meinem Arsch … willste sehen?«
Er wandte mir den Rücken zu und zog die Hose so weit herunter, wie es nötig war. Auf Raouls linker Pobacke waren die Worte »Dein Name« eintätowiert.
Heureka.
Riesenfröhlichkeit beim Reporter.
Was für ein Theater.
Raoul erklärte: »Hab ich schon die eine oder andere Summe mit gewonnen, mit der Nummer.« Nun hatte sich Raoul von oben bis unten, gewissermaßen vom Kopf bis zum Hintern, vorgestellt.
Der große Unterhalter, dem selbst Blocky nichts außer Kopfschütteln entgegenzusetzen hatte, erzählte – sicher auch deshalb, weil er selber fand, dass ein gemäßigtes Thema an der Reihe war –, dass es die Band seit fünf Jahren gebe. Was ich sonst noch über die Band wissen müsse? Na, alles. Die vier Jungs in der Band, das sei die ultimative Gang, das seien die Kumpels:
Da sei Eric, sein jüngerer Bruder, 24 Jahre alt, er spiele die Gitarre. Da sei Rampa, 32 Jahre alt, am Bass. Und da sei Crooner, 27, vor zwei Jahren zur Band gekommen, er sei der Sänger der Band. Er, Raoul, 26 Jahre alt, sei der am Schlagzeug. Die Jungs in der Band seien alle gelernte Maurer, und alle lebten sie von Hartz IV.
Bloß Crooner nicht, der arbeite als selbstständiger Vermögensberater.
Die Band, so Raoul, sei alles für ihn, sein Ein und Alles, das absolut Wichtigste in seinem Leben, und so sähen das auch die anderen Jungs. Man sei die ultimative Kumpel-Gang, blindes Verständnis, blindes Vertrauen, Hand ins Feuer, Kumpels durch dick und dünn, einer für alle, alle für einen, all die Kumpelsprüche hätten bei ihnen wirklich mal einen Sinn. Man sei befreundet, weil es die Band gebe, und die Band gebe es, weil man so gut befreundet sei. Wenn es die Band nicht gäbe, so Raoul, dann könnte er hier gleich einpacken, und genauso sähen das seine Kumpels, die anderen Jungs auch.
Mittlerweile habe man so etwa zehn, elf Songs, die Songs hießen Wake Up , The Future , Nothing is Fine , Turn it Off und Never is Forever , zuletzt habe man den Song People Who Died von der Jim-Caroll-Band gecovert, und seitdem Crooner vor zwei Jahren dazu gestoßen sei, könne man sich sogar einigermaßen hören lassen. Auf Festivals zöge die Band, vorausgesetzt, dass alle Kumpels anreisten, ein Zweihundert-Mann-Publikum an.
Raoul: »Wir haben die Band ursprünglich mal gegründet, um Weiber klarzumachen, und weil’s mit den Weibern noch nicht geklappt hat, gibt’s uns immer noch.« Ja. Hoho.
Wir waren in der Zeit jenseits aller greifbaren Uhrzeit angekommen. Es schien das Säufergelb von den Wänden, und es fielen ein paar richtig schön angetrunkene Sätze. Nazi-Scheiße. Wessi-Scheiße. Ossi-Scheiße. Die ganze schöne Scheiße eben. Wir standen Schulter an Schulter,den Tresen in Griffnähe, das große Gelbe mit dem kleinen Weißen in den Händen. Die Themen konnten gar nicht zu besoffen, also groß und bedeutend genug sein. Dabei rissen wir eine Menge an und schlitterten über die Dinge hinweg, anstatt, wie es sich bei Gesprächen gehörte, die Dinge mit Hand und Fuß und von einem Anfang bis zu Ende zu besprechen: ideal.
Noch mal ganz locker über das alte Oberhavel, durch das die Neonazis auf- und abgelaufen waren. Raoul: »Die Sehnsucht, die manch einer nach einem großdeutschen Reich hatte, die mussten sie aufgeben. Die war einfach nicht realistisch.« Noch mal ganz locker über Arbeitslosigkeit. Blocky: »Ich habe eigentlich immer hart gearbeitet.« Raoul: »Wir haben uns eigentlich nie als die typischen Hartz-IV – Empfänger gesehen. Ich wollte es nie so weit kommen lassen. Ich habe mich ja auch immer lustig gemacht über die Leute, ich habe ja nur Hartz-IV – Witze gerissen. Dann war man da auf einmal selber mit dabei.«
Reporterfrage: Woran konnte er, Raoul, rein äußerlich einen Hartz-IV – Empfänger erkennen? (Da war sie wieder, die moralisch anrüchige,
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