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Deutschboden

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Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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amerikanischem Einschlag, Blink 182, Greenday, The Offspring, die Richtung, es sei so eine Mischung aus Punkrock und Hardrock, wobei man dagenau sein müsse, denn Heavy Metal, die alte Langhaarnummer, die fände er, die fände die Band das Letzte.
     
    Er stamme, erzählte er, aus einer alten Oberhaveler Fischerfamilie; sein Vater, Siggi mit Vornamen, im Städtchen und in der ganzen Gegend bekannt wie ein bunter Hund, besitze eine Lkw-Spedition. Er sei gelernter Maurer, derzeit aber leider arbeitslos (er sagte »leider«), seit einem halben Jahr beziehe er Hartz IV, gerade habe er mit dem Lkw-Führerschein begonnen. Seine Wohnung liege übrigens hier – Raoul zeigte an die Kneipendecke – ganz genau, gleich hier drüber, im ersten Stock, im Stockwerk über der Gaststätte.
    »Ich war schon auf’m Weg in die Koje. Da dachte ich, kiekste noch auf eene Molle bei Schröder rinn.«
     
    »Und nun stehe ich hier.«
    Er hielt seine Hand hin und wiederholte seinen Namen:
    »Tachchen. Raoul. Raoul Schleusner.«
    Raoul.
    Das war ja ein geiler Vorname.
    Wo hatte Raoul, bitte, so einen geilen Vornamen her?
    Grinsen.
    Moment der Irritation.
    Raoul: »Weiß nicht. Wo kriegt man seinen Vornamen her …
    Denke mal, meine Eltern haben mir den gegeben.«
     
    Raoul erklärte: »Mein Bruder heißt Eric. Mit C. Meine Eltern hatten so einen Vogel mit französischen Vornamen. Weeßte. Weeß ick auch nicht, was das bedeuten soll.« »Und du bist Journalist?«, fragte Raoul.
    Trotz der Biere, die er intus haben musste, konnte ich sehen,wie Raouls Gehirn geschwind die Vor- und Nachteile ausrechnete, die die Anwesenheit eines Reporters für ihn haben konnten.
     
    Ich fragte Raoul, ob wir ein bisschen über seinen linken Arm, den bunten, den zutätowierten reden könnten, das seien ja wohl die obergeilen Tätowierungen.
    »Können wir«, sagte Raoul.
    Er schob den T-Shirt-Ärmel hoch und legte den Arm neben das Bierglas. Nach wenigen Worten war klar, dass er die Geschichten, die um seinen Arm rankten, schon oft erzählt hatte. Heiko und Hansi ließen die Arbeit für einen Moment lang ruhen: Feierabendgesichter. Sie standen hinterm Tresen, Geschirrtuch über der Schulter, und hörten zu, amüsiert, mit lachbereiten Gesichtern, als habe Raoul einen Ruf als Geschichtenerzähler zu verteidigen und als erwarteten sie, dass Raoul, ihnen zu Gefallen, die Wahrheit ein wenig dehnen würde, damit eine Pointe mehr und eine gute Geschichte dabei heraussprang: Raoul, Geschichtenerzähler.
    Alle Tattoos, erzählte Raoul, kämen von privat, die Tattoos seien also nicht in Studios, sondern von Kumpels in deren Wohnzimmern gestochen werden – ganz recht, alle hier in Oberhavel. Er habe, so Raoul, keine verbotenen Tattoos, keine Hakenkreuze, auch keinen scheiß Wikinger auf der Schulter, mit dem sie damals, als Oberhavel noch ein Nazinest gewesen war, alle herumgerannt seien. Angefangen habe er mit dem Blink-182-Bandlogo auf dem Unterarm. Nun aber hübsch eine Tattoo-Geschichte nach der anderen, vom Handgelenk bis rauf zur Schulter: Das seien ein Drachenauge; zwei Totenschädel, ein kleiner, ein größerer; ein Tribal-Muster; die Teufelszahl 666; das Logo seiner Band 5 Teeth Less; ein paar bunte Sterne; die Knastnummer 114302. Richtig, ein halbes Jahr lang, von Herbst 2002 bis Sommer 2003, habe er in der Jugendvollzugsanstalt, in Spremberg gesessen, damals habe sich einiges aufgestaut gehabt: diverse Körperverletzungen, diverse Falschaussagen. Er sei der 1143te gewesen, der 2002 in der JVA Spremberg eingesessen habe, so setze sich so eine Knastnummer zusammen. Auf seinem Arm sei außerdem die Figur des Wollknäuel Sockenbart eintätowiert, das kleine Arschloch aus Drawn Together , der Zeichentrickserie, in der gegen alles gehetzt werde, was politisch nicht korrekt sei, gegen Juden, Neger, Schwule. Die winzige Zahl Fünf hinter seinem linken Ohr, die sei natürlich auch ein Gruß an seine Band, die Jungs von 5 Teeth Less. Was das sechseckige Warnschild mit der Aufschrift »Traxx« auf seinem Puls zu bedeuten habe?
    Das Traxx, so Raoul, das sei hier die Discothek im Ort, übler Laden, fertige Kaschemme, finsteres Loch, aber egal, man ginge da natürlich trotzdem hin. Eines Nachts habe er mit dem Besitzer des Traxx gewettet, dass er sich trauen würde, sich den Eintrittsstempel vom Traxx auf den Arm tätowieren zu lassen. Nun trage er den Stempel auf dem Arm und zahle immer noch Eintritt. Tja. Haha. Raoul erklärte, die gestochene Kunst auf seinem Arm

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