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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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in Ossis und Wessis seine Sache nie gewesen sei. Es gebe heute ein Deutschland. Das sei seiner Meinung nach ja genau das Schöne, dass es heute eben nicht mehr zwei Deutschländer seien.
     
    Und Blocky musste rasch noch einen Witz erzählen: Bitte, Blocky, erzähl deinen Witz.
    »Ruft ein Ossi bei Thomas Gottschalk an, will sich bei Wetten, dass …? bewerben. Ossi: ›Ich kann einen Wessi mit dem Teelöffel erschlagen.‹ Gottschalk: ›Ja, und wenn das nicht klappt?‹ Ossi: ›Dann nehme ich einen Spaten.‹«
    Riesenfreude allerseits.
    Grölen.
    Gelächter.
    Gespräche um halb zwei nachts in der Kneipe Schröder.
    Ich versuchte, nur eine Minute lang – weil ich es irgendwann einmal so gelernt hatte und weil es ja durchaus interessant sein könnte –, die professionelle Distanz zu den beiden Oberhavelern einzunehmen, die sich für einen Reporter gehörte: Blocky und Raoul, so dachte ich, waren beide Topspeed-Sprechmaschinen. Wobei der Umstand, dass wir uns gerade erst kennengelernt hatten und es noch allerhand Neues, Wichtiges, vermeintlich Interessantes zu sagen und auszutauschen gab, dem Strom der Worte eher im Wege stand. So richtig gut, das ahnte man, würde es mit dem Labern, Schwafeln, Faseln, mit dem Geschichtenerzählen erst dann klappen, wenn alles Wichtige, Wesentliche, Interessante längst gesagt und im Strom der Worte jedes Wort gleich viel, nämlich absolut nichts mehr wert war. Das Nirvana des Geschichtenerzählers war dann erreicht, wenn Worte egal waren, weil im Fluss der Worte schon der ganze Sinn der Geschichten lag. Auf diesen Zustand, Zustand des absolut freien Topspeed-Laberns, freute sich der Reporter sehr.
    Es musste nun, weil’s so schön war, noch ein bisschen über den Paten des hiesigen Nachtlebens hergezogen werden. Wegen Geschichten, die gerade nicht genau erinnert werden konnten, sei er für Jahre in den Knast gewandert (aber ob das mit dem Knast genau stimmte, das konnte jetzt auch nicht sicher gesagt werden). Vom Knast jedenfalls sei der Pate mit Riesenmuskeln wieder herausgekommen und vor seinen Clubs aufgetaucht, wo er als Türsteher seine Gäste schikanierte und willkürlich Hausverbot erteilte. Klang ja ungeheuerlich. Beide, Blocky und Raoul, beteiligten sich mit Einsatz und Erregung am Erzählen dieser irren Geschichten.
    Und in dem schönen Gesaufe, Geschwafel und Gedröhne bekam ich plötzlich ein grandioses Glücksgefühl.
    Scheiß Berlin!
    Super Oberhavel!
    Guten Abend, Herr Blocky!
    Hallo, Herr Raoul!
     
    Hansi! Drei gehen noch!
     
    Hansi war dann irgendwann weg: ab durch den Hinterausgang. Und Heiko trat noch mal zu uns in die Ecke und legte einen Arm um Raouls Schulter:
    »Na Raoul, alter Gangster. Haste noch Puste?«
     
    Die achte Runde stand auf dem Tresen, Raoul war längst auf Goldkrone Cola umgestiegen – »Machste mir noch ’nen Whisky, Heiko?« –, als Blocky anbot, den Reporter morgen im Auto durch die Kleinstadt zu kutschieren und ihm, wie er sich ausdrückte, alles zu zeigen. Man solle ihn morgen um zwölf in seinem Häuschen abholen kommen. Im Gegenzug lud Raoul den Reporter dazu ein, in ein Dorf namens Kurtschlag zu kommen, zwanzig Kilometer nördlich von Oberhavel. Dort liege der Proberaum seiner Band, und dort gebe die Band morgen Abend einen kleinen Gig für Freunde. Würde laut werden, und es würde auch garantiert viel gesoffen. Es käme neben der Band eine Gang von vierzig, fünfzig Leuten, das sei der harte Kern, Raouls Bekanntenkreis, die Leute in Oberhavel, die sich nicht unterkriegen ließen und auf die man sich, wenn’s knallen sollte, verlassen könne. Die müsste ich, so oder so, alle kennenlernen. Ich sei also herzlich eingeladen.
    Blocky stellte dem Reporter, als es zu spät für alles war, den Chef des privaten Sicherheitsdienstes von Oberhavel vor: einen gewissen Günter Pfund, auch Pfundi genannt. Pfundi war die Person, in die der Mensch hineinlaufen wollte, wenn nicht mehr Worte, sondern nur noch Laute für Klarheit sorgen konnten. Er stand da, klein, schmal und sternhagelvoll, Pfundi hatte die Würde des Mannes, der, obwohl er am Abend getrunken hatte, am nächsten Morgen trotzdem pünktlich zur Arbeit antrat.
    Raoul: »Na, Pfundi?«
    Pfundi bekam die irre Geschichte erzählt, dass sich der Reporter aus Berlin für ein paar Monate hier in der Kleinstadt einquartiert hatte. Eine Erzählung, du lieber Himmel, ja gleich ein ganzes Buch wollte der Reporter über die Kleinstadt schreiben.
    Pfundi zu Raoul: »Watt will er

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