Deutschboden
aller Zeiten aufstiege.
Die Band bemerkte, dass der Reporter einen hässlichen Stoffelefanten mit hässlichen, großen Plastikaugen ansah. Der Elefant saß, riesengroß, hellblau und verdreckt, auf einer der Lautsprecherboxen.
Rampa: »Das ist Lauser. Wir haben ihn aus einem Müllcontainer gezogen. Er hat als Wachhund nichts getaugt, da wurde er das Bandmaskottchen.«
Die Band guckte, ob der Humor des Rampa ankam: ja, super. Kam an. Der Reporter bekam, ohne gefragt zu werden, eine Flasche Bier in die Hand gedrückt. Raoul schüttete sich Goldkrone und Sprite in einen Pappbecher, erklärte: »Goldie Sprite«. Um am Drücker zu bleiben und weil die Band zum ersten Mal geschlossen dasaß, forderte der Reporter die Jungs auf, sich einer nach dem anderen vorzustellen: Es entstand eine Interviewsituation. Was der Reporter wissen wollte? Die Jungs machten selber Vorschläge: Beruf. Kontostand. Bevorzugte Zigarettenmarke. Vorstrafen. Alkoholpegel. Staatsangehörigkeit.
Crooner: »Ich bin Vermögensberater.«
Eric: »Ich bin zurzeit leider arbeitslos. Sonst auf dem Bau tätig.«
Rampa: »Trockenbau. Zurzeit aber leider auch auf Hartz IV.«
Raoul: »Bei mir weißte’s ja. Ich mache, wenn alles gut geht, demnächst meinen Lkw-Führerschein.«
Das geile Brandenburgisch schon wieder. Alle vier sprachen so schnell, dass sie mit den Worten kaum nachkamen. Rampa war, das war mit zwei Sätzen deutlich geworden, ein ähnlich guter Sprecher wie Raoul. Crooner sprach, als hätte er da etwas aufzuholen, so harten Dialekt wie die anderen. Eric drängte beim Sprechen weniger nach vorne. Er sprach leiser, verhaspelte sich, verschluckte ganze Silben, wohl, weil er die Pointen und die Punkte schneller setzen wollte, als seine Zunge es ihm erlaubte. Man musste gut hinhören, um ihn zu verstehen.
Der Reporter: »Ihr seid die kräftigen Männer.«
Rampa: »Genau. Wir sind die, die in der Schule nicht aufgepasst haben. Sonst wären wir jetzt Vermögensberater.«
Eric: »Oder Hausmeister. Stellvertretende Hausmeister vielleicht.«
Der Reporter hielt Rampa den Aufnahmestift hin: »Was macht man als Trockenbauer, Rampa?«
Rampa: »Rigipswände, Metallprofile stellen. Decken. Fußböden. Dämmen, spachteln. Meinst du die Frage ernst?« Rampa zögerte, mit einigen Sekunden Verspätung. Er guckte in die Runde, als wollte er sich vergewissern, ob er als Einziger einen Gag wie eine ernst gemeinte Frage beantwortet hatte: Nein, Rampa. War ernst gemeint gewesen, die Frage. Rampa zu Crooner, er zeigte mit dem Finger auf seinen Kumpel und ballerte die nächsten Sätze in etwa drei Sekunden in eisenhartem Brandenburgisch heraus: »Hättest du in der Schule mal anständig gesoffen, wärst du Maurer geworden. Wie wir. Aber nein, du musstest ja Abi machen.«
Es entstand eine Gesprächspause. Erst hielt Raoul seine brennende Zigarette hoch, es folgten die anderen Jungs. Dann erst verstand der Reporter, dass Raoul die Leitung der Interviewsituation übernommen hatte. Es war eine fast niedliche Szene.
Raoul: »West Ice.«
Rampa: »Cabinett.«
Eric: »Pall Mall.«
Crooner: »Cabinett Mild.«
Die nächste Gesprächspause. Die Jungs sollten ihre Tätowierungen erklären. Tätowierungen, immer ein schönes, immer ein dankbares Thema. Es ging so ab, dass der, der dran war, an T-Shirt-Ärmeln und Hosenbeinen zog und zerrte, um die betreffende Körperstelle freizulegen.
Auf Rampas Armen saßen Tribal-Tätowierungen; ein Spinnennetz am Ellbogen (»Ein Andenken an einen Kumpel, der sich vor den Zug gestellt hat. Ich habe kein Foto von ihm. Wenn ich das Spinnennetz sehe, dann fällt er mir automatisch ein.«); ein Frauenkopf, der entfernt Ähnlichkeit mit Britney Spears hatte (aber das war sie um Himmels willen natürlich nicht). Die Vornamen von Rampas Eltern waren auf den Puls tätowiert, die Mutter auf den rechten, der Vater auf den linken Puls, Würfelzähler zeigten die Geburtsjahre der Eltern an, 5 und 4 für die Mutter (1954), 4 und 2 für den Vater (1942). Auf Rampas Rücken wuchs eine Großtätowierung, die noch nicht fertig gestochen war: Da musste noch allerhand ausgemalt werden. Der Wikinger auf der Schulter, so Rampa, stamme noch aus der guten alten Skinhead-Zeit. Eric hatte einen Teufel. Oder einen Dämon. Etwas in der Richtung. Noch einen Drachen. Auf Erics Schlüsselbein, dem Übergang von Hals zu Oberkörper, war der Schriftzug »Not like you« eintätowiert – man sah die großen, in verschnörkelter Schreibschrift
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