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Deutschboden

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Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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Spandauer Straße, meinen Pullover geklaut. Hinter der Brücke habe ich den Penner gestellt. Ich zu dem Typen: Hey, du Penner, du hast meinen Pullover. Willst du mir den bitte …? Als er auf mich drauf wollte, habe ich dagegengehalten, auf meine Art. Dann kam die Anzeige wegen Körperverletzung.«
    Rampa guckte, ob einer der anderen etwas sagen wollte.
    Eric sagte: »Was für ein Penner, der Typ …«
    Raoul: »Das war der Letzte. Kaputter Kunde …«
    Rampa: »Das Schlimme ist: Ist man schuldig, denkt mansich die größte Scheiße aus und kommt damit durch. Ist man unschuldig und sagt, wie es gewesen ist, sperren sie einen weg. So ist das wirklich.«
     
    Raoul fühlte sich, auch weil sein Kumpel Rampa die Stimmung so vorgegeben hatte, nun ebenfalls aufgefordert, eine Geschichte zu erzählen, die mit einer Anzeige wegen Körperverletzung endete. Folgende Geschichte:
    »Ich war mit zwei Kumpels beim Billardspielen, da ruft mein Bruder an: Jakob hat Fatzke mit der Keule verhauen. Fatzke: Das ist mein Hund, eine Promenadenmischung, habe ich zum dreizehnten Geburtstag geschenkt bekommen, lebt immer noch, aber längst bei meinen Eltern. Jakob: Ein mieser Wichser war das. Ein Arschloch sondergleichen. Ein versoffener Kunde, Alkoholiker, der nie gearbeitet hat, Abschaum. Ich: Watt? Ich komm gleich vorbei. In der Marktstraße kam er mir entgegen. Da habe ich ihn vom Fahrrad runtergerissen, ihn bis zu Hause vor die Tür geschleift. Dann habe ich ihm die Fahrradpumpe so oft über den Schädel gezogen, bis das Ding auseinanderfiel. Danach habe ich erst angefangen mit Fäusten. Meine zweite Vorstrafe war das. Hat Arbeitsstunden gegeben.«
     
    Gesprächspause. Natürlich auch deshalb, weil hier in den letzten drei Minuten gleich zwei Menschen verprügelt worden waren: ein Penner, der Pullover klaute, und ein Schwein namens Jakob, das Hunde schlug.
    Der Reporter dachte noch einmal, wie nett es von den Jungs war, dass sie ihm so viel aus ihren Leben erzählten. Sie hätten ja auch einfach nichts sagen können.
    Crooner erklärte: »Ich habe keine solchen Geschichten.
     
    Ich bin überhaupt nicht so schlimm wie die anderen hier. Kein Gefängnis, keine Vorstrafen, keine Bewährung.« Crooner grinste.
    Raoul: »Ja, Crooner ist unser lieber Junge. So einen musst du auch immer dabeihaben.«
     
    Die Jungs gingen zu ihren Instrumenten. Eric reichte mir das zweite Bier. Einstecken der Kabel, Einstellen der Verstärkerknöpfe. Raoul nahm am Schlagzeug Platz, Crooner hatte einen Zettel in der Hand, auf dem er seine Song- texte notiert hatte.
    Und Eric erklärte dem Reporter plötzlich, während er an der Gitarre, die vor seinem Bauch hing, herumzog: »Ich überlege auch, ob ich im Transportgewerbe einsteige. Weeßte. Weil ich sowieso den ganzen Tag mit dem Auto unterwegs bin.«
    Raoul: »Ja, Eric ist unser Stadtrundenfahrer.« Rampa rief von seinem Bass: »Eine Menge Jungs in Oberhavel, besonders im Baugewerbe, arbeiten ja eigentlich auch selbstständig. Bloß eben nicht offiziell selbstständig.«
    Crooner rief laut: »Das schadet dem Staat.«
    Rampa bellte Crooner an: »Scheiß auf den Staat. Nicht jeder hat – wie Raoul, wie Eric, wie ich – den Anstand, nicht schwarzzuarbeiten. Wenn einer schwarzarbeitet, dann verdient der gutes Geld und gibt das auch wieder aus. Er schadet also nicht dem Staat, sondern entlastet den Staat, weil er die Wirtschaft fördert.«
    Crooner sprach erneut mit demonstrativ lauter Stimme: »Wer schwarzarbeitet, schadet sich selbst.«
    Wieso, Herr Crooner, fragte nun der Reporter, schadet sich, wer schwarzarbeitet, selbst?
    Crooner: »Weniger Steuereinnahmen ergeben höhere Steuersätze. Deshalb schaden die sich selbst.«
    Raoul, lässig: »Die zahlen die ja nicht, die Steuer.«
    Crooner: »Irgendwann sind die Kassen pleite. Dann gibt’s auch kein Hartz IV mehr.«
    Rampa: »Dann muss der Schwarzarbeiter halt nur noch von Schwarzarbeit leben.«
    Raoul: »Den Pleitestaat, den gibt’s nicht wegen der Schwarzarbeit. Das liegt an den ganzen Hau-Raus da oben, die in Saus und Braus leben und keine Steuer zahlen. Das bisschen Bau, das bisschen Kellnerei, das schwarz gemacht wird in Deutschland.«
    Crooner: »Alter, das sind 400 Milliarden im Jahr.«
    Rampa: »Die Jungs am Bau, in Berlin und sonst wo, die verdienen schwarz das Doppelte von dem, was sie sonst auf dem Bau kriegen. Das Doppelte! Verstehst du.«
     
    Rampa erzählte von einem Trockenbauer, ebenfalls auf Hartz IV, den er aus Berlin kenne. Der arbeite

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