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Deutschboden

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Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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geschriebenen Worte, wenn Eric dasaß und der Ausschnitt seines T-Shirts nach unten rutschte. Darunter das Logo der Band 5 Teeth Less, darunter, auf Erics Bauch, wieder groß und geschwungen geschrieben, der Schriftzug Rock ’n’ Roll.
    Eric sagte nun den oberlaschen Satz: »Tätowierungen sind so geil.«
    Raoul half seinem Bruder nach: »Wir nehmen das mit denTätowierungen nicht so ernst. Ich habe mir schon überlegt, ob ich mir die Ergebnisse aus dem Theorie-Prüfungsbogen vom Lkw-Führerschein auf den Arm tätowieren lasse.« Raoul nickte, um seinem Gag zusätzlich Schwung zu verleihen: »Weeßte. Weil ich mir das alles doch immer nicht merken kann.«
     
    Die Jungs mussten andauernd Witze reißen. Einer gab den Nächsten. Es ging gar nicht anders. Wenn einer den Mund aufmachte, dann musste das ein Witz werden. Sonst war das keine sinnvolle Wortmeldung. Es bestand praktisch Witzzwang. Ein nichtwitziger Satz war ein vergebener Satz. Und wenn einer zwei, drei Sätze lang vollkommen unkomisch dahergeredet hatte, dann musste der vierte Satz der sich doppelt überschlagende Superwitz sein. In der Kleinstadt zu leben, hieß, im ständigen Redetraining zu bleiben. Ulkige Sache: Es war so, als ob die Tatsache, dass es eigentlich wenig zu erzählen und wenig zu besprechen gab, die Grundlage dafür bildete, dass man alles lustig und als Gag erzählen konnte. Menschen, die mehr erlebten, das dachte der Reporter, waren ungleich unkomischer als die Menschen hier in Oberhavel.
    Crooner: »Ich habe keine Tätowierungen.«
    Der Reporter: »Und das bleibt auch so?«
    Rampa: »Ja, bis er mal besoffen einschläft.«
    Reporter: »Warum bist du nicht tätowiert, Crooner?«
    Crooner: »Wenn ich mal ein Motiv habe, von dem ich sage, das muss ich haben, das soll ein Leben lang bleiben, dann kommt es drauf.«
    Rampa: »Er hat hinten so ein ganz zartes Arschgeweih.«
    Gelächter bei Rampa und Raoul.
    Der Reporter startete noch einen Interviewangriff: »Und, Herr Rampa? Bist du vorbestraft?«
    Der nette Rampa ging, wie vom Reporter verlangt, gleich an die Decke. Und signalisierte im selben Zug, dass er die Frage als nicht ganz ernst gemeinte Aufforderung zu einem Spielchen richtig verstanden hatte. Er warf einen Blick in die Runde: »Warum denn ich? Frage doch mal die anderen.«
    Raoul ging betont sachlich auf die Frage ein. Als habe er als Einziger und als der Kopf der Band, der er wohl war, das Image, den Erfolg, die Zukunft der Band im Blick: die sogenannten Karrieren. Er hatte, das verstand ich gerade, seinen Kumpels erklärt, dass es nur von Vorteil sein könnte, sich mit mir, dem Reporter zu verständigen: Publicity, Öffentlichkeit, jede Presse war gute Presse, diese Dinge. Raoul war, was ihm niemand übel nehmen würde, um ein freundliches und konstruktives Gesprächsklima mit dem Reporter bemüht.
     
    Raoul führte das Interview mit den Jungs von der Band 5 Teeth Less.
    Raoul: »Na, dass ich im Knast war, habe ich dir ja schon erzählt. Ich war von 1999 bis 2006 auf Bewährung. Wie war das bei dir, Eric?«
    Eric: »Bei mir war Gott sei Dank nie was Großes. Oder wie war das bei mir, Rampa?« »Nee, Eric«, sagte Rampa. »Bei dir war nichts. Du hast immer Glück gehabt.«
    Eric: »Richtig bestraft worden bin ich jetzt erst vor Kurzem. 320 Euro. Wegen Falschbaden. Das musst du dir mal vorstellen: Die haben mich verknackt, weil ich trotz Baden-Verboten-Schild in den Tümpel gehüpft bin.«
    Und Raoul reichte den Stab weiter an Rampa: »Erzähl du, Rampa.«
    Rampa: »Ich war nie im Gefängnis. Aber es war knapp.« Er zeigte Zähne, um zu zeigen, wie knapp es war.
    Rampa: »Raoul, was würdest du sagen, wie knapp es war?«
    Raoul: »Ich würde sagen: Du bist ganz knapp am Knast vorbeigeknirscht.«
    Rampa erzählte: »Ich bin noch bis 2014 auf Bewährung. Wegen Schwarzfahrens, also wegen wiederholten Fahrens ohne Führerschein. Ich hatte vier Monate auf Bewährung. Wurde neu erwischt. Verurteilt zu acht Monaten Knast. Bin in Revision gegangen. Auf die Tränendrüse gedrückt. Arbeit besorgt. Angestrengt. Noch mal Bewährung gekriegt. Jetzt ist es ganz knapp, ich darf mir nichts mehr, also wirklich gar nichts mehr erlauben: Nachts ohne Licht oder besoffen auf dem Fahrrad, und ich gehe für zehn Monate in den Knast.«
    Rampas Erzählung war noch nicht beendet: »Dann, vor etwa einem Jahr, kam noch eine Verhandlung, aber nicht wegen Schwarzfahrens. Da hat mir ein Penner in einer Kneipe, bei Franky’s Place hier bei uns auf der

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