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Deutschboden

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Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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gekleidet: schwarze Kappe, schwarzes T-Shirt, schwarze Shorts, schwarzePuma-Turnschuhe. Auf Erics Kappe stand »Atticus«, auf seinem T-Shirt »Alive«. Eric war kleiner als sein Bruder und nicht ganz so breit gebaut wie Rampa, aber wie bei seinem Kumpel waren auch Erics Programm die Muskeln: kräftige Arme, kräftige Unterschenkel. Tätowierungen auf Oberarmen und dem rechten Unterschenkel. Man sah diesen Eric, wie er so dasaß, sich im Gedränge mit anderen kräftigen Männern flüssig hin- und herbewegen, sich vor- und zurückkämpfen, über Schultern, Arme, Köpfe hinweg greifen, schubsen, lachen, auch mal einen nicht weiter böse gemeinten Faustschlag austeilen. Aber ähnlich wie bei Rampa war auch in Erics Erscheinung ein Bruch, ein Widerstand zum reinen Kraftprogramm angelegt, ebenfalls für jedermann auf die ersten Blicke zu erkennen: Erics Haare sahen blauschwarz aus, vielleicht waren sie schwarz gefärbt. Im Nacken waren sie kurz, an den Seiten gestuft geschnitten, vorne hingen sie in die Stirn. Es war ein Haarschnitt, wie ihn englische Bands um 1980 und Nachtclubmenschen im Berlin der Gegenwart trugen. Insgesamt wirkte dieser Eric ein bisschen ungewaschen, aber, komisch, auch das stand ihm gut. Ein echter Knaller in Erics Erscheinung waren seine mit schwarzem Nagellack lackierten Fingernägel. Es waren männliche, nicht besonders gepflegte Nägel, und der Lack blätterte herunter, wodurch die Sache noch mal einen anderen Schwung bekam. Nur wegen dieser Nägel stand gleich eine wahrlich dramatische Menge von Fragezeichen im Raum. Da dieser Mann ziemlich offensichtlich nicht schwul war, sendete das abgeblätterte Schwarz gleich eine Vielzahl von Referenzen aus, die sich mit dem Klischee einer Kleinstadtexistenz schwer vertrugen, in etwa: Punkrock, Hardrock, Metrosexualität, Oper, Kino, Glamour, Exzess, Absturz (schon klar: In Wahrheit waren alle diese Dinge vor etwa dreißig Jahren in der Kleinstadt angekommen und wurden hier, in der Kleinstadt, in besonders reiner Form, wahrscheinlich der reineren Form gelebt als in der Großstadt). Zusammen mit den Puma-Turnschuhen stellten diese Fingernägel jedenfalls eine gewagte Ansage, fast eine Mutprobe dar: Man stellte sich vor, wie dieser Eric in Supermärkten, auf Tankstellen und in namenlosen Sauflöchern seine Extravaganz rechtfertigen musste und sich einen Spruch zurechtgelegt hatte, um die Sache abzukürzen: »Das ist Punkrock. Verstehst du nicht. Ist mir auch egal, ob du das verstehst. Geh weg.«
    Eric trug außerdem, was der Reporter erkannte, als sich Eric mit der linken Hand eine Bierflasche öffnete, einen Flaschenöffner-Ring am linken Daumen.
     
    Ich sagte gleich, schon als ich die Hände der Jungs drückte, wieder meinen Idiotenspruch auf: dass ich der Reporter sei, der ein Buch über Oberhavel schreibe und deshalb alles, wirklich alles und jeden Spruch, die guten und die weniger geglückten, mit dem Gerät aufnehme, worüber, bitte, niemand zu erschrecken brauche. Interessierte Gesichter. Den Aufnahmestift sollte ich mal herzeigen. Digitales Aufnahmegerät, ja?
    Alles klar.
    Na.
    Mach mal.
     
    Raoul öffnete die Kommode und entnahm ihr ein Raumspray, mit dem er gleich anfing, Spraywolken in die Luftüber den Polstermöbeln zu sprühen: Air Wick Flieder- frisch. Dann sollte erst mal in aller Ruhe gesessen und ein Bierchen zusammen getrunken werden.
    Es ging zwischen den Jungs nun um Spiele für die Playstation 3. Dabei wurde mit rätselhaften Fachkürzeln aus der wunderbaren, dem Reporter fremden Welt der Unterhaltungselektronik hin und her geworfen, die LCD – Fernseher, Full HD, Blue-Ray und HDMI – Kabel hießen. Die Playstation 3 kürzten die Jungs mit dem Begriff Playsi ab.
    Dann musste, umso heftiger, das Spiel der Spiele, das im Herbst dieses Jahres neu auf den Markt kommen würde, besprochen werden: Modern Warfare 2, Call of Duty . Raoul hatte geregelt, dass die örtliche Videothek ihnen in den ersten Minuten des Tages des Erscheinens, nämlich um zwölf Uhr nachts am 18. November, gleich zwei Exemplare des neuen Spiels aushändigen würde. Raoul erklärte, dass die Band sich dann sieben Tage komplett freizuhalten habe, an Bandproben sei in dieser Woche ebenfalls nicht zu denken: Man wolle sich während dieser Tage ausschließlich auf das brandneue, in jedem Fall grandiose, weil extrem brutale, realitätsnahe und sofort süchtig machende neue Shooter-Spiel konzentrieren, das bei Erscheinen in Rekordzeit zum erfolgreichsten Computerspiel

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