Deutsche Geschichte
Hubertusburg« beendet. Friedrich hatte die Stellung Preußens als europäische Großmacht behauptet und ließ sie im Friedensvertrag festschreiben.
Ich bin der erste Diener meines Staates
Anders als der Sonnenkönig und die absolutistischen Fürsten betrachtete Friedrich den Staat nicht als persönlichen Besitz. Für ihn stand der Staat über allen, und alle hatten die Pflicht, ihm nach besten Kräften zu dienen. Der König genauso wie der kleinste Bauer. Als »erster Diener des Staates« kümmerte sich Friedrich auch um viele Kleinigkeiten und versuchte für alle Lebensbereiche Regeln aufzustellen. So entstand Schritt für Schritt ein neues Rechtswesen. Als Erstes wurde die Folter weitgehend abgeschafft, ebenso das Recht des Königs, in Verfahren einzugreifen. Eine überall gültige Rechts- und Prozessordnung mit gleichen Rechten für alle Stände machte das Leben berechenbarer.
Wie fortschrittlich Friedrich auf diesem Gebiet dachte, zeigt eine kleine Anekdote besonders deutlich: Der Vergrößerung des königlichen Parks von Sanssouci stand eine Mühle im Weg. Aber der Müller wollte sie nicht hergeben. Als der König drohte, ihn mit Gewalt aus der Mühle holen zu lassen, soll der Müller geantwortet haben: »Das könnten Eure Majestät tun, wenn das Berliner Kammergericht nicht wäre.« Der König fasste das als Lob für das Rechtswesen in seinem Staat auf und der Müller durfte seine Mühle behalten.
Solche Geschichten trugen neben den Kriegserfolgen mit dazu bei, dass Friedrich schon zu Lebzeiten »der Große« genannt und sehr verehrt wurde.
Auch in Glaubensfragen war er für seine Zeit ein toleranter Herrscher. »In meinem Staat kann jeder nach seiner Façon selig werden«, lautet einer seiner bekanntesten Aussprüche. Wichtig war ihm vor allem, dass die Menschen ihre Bürgerpflichten erfüllten. Welche Pflichten das waren, legte der Stand fest, in den man hineingeboren wurde. Und an der Ständeordnung rüttelte Friedrich nicht. Sie entsprach seiner Meinung nach der Natur des Menschen. Aber innerhalb seines Standes sollte jeder zufrieden leben können.
Friedrich der Große war ein Mensch, der Gegensätze in sich vereinte, die beinahe unvereinbar erscheinen: Zum einen war er ein hoch gebildeter, künstlerischer Mensch und als solcher für die fortschrittlichen Gedanken der Aufklärer offen. Zum andern war er oberster preußischer Offizier und Beamter, und da galten nur Disziplin und unbedingter Gehorsam. Diese Gegensätze machten ihn zu einem »aufgeklärten Absolutisten«. Die Macht lag zwar immer noch ungeteilt in seinen Händen, aber er benutzte sie nicht mehr willkürlich – »despotisch« –, sondern im Rahmen der Gesetze.
Unter einem solchen Herrscher veränderte sich langsam das Leben in Preußen. Neben dem Soldaten- und Untertanengeist konnte sich neues Denken entfalten. So war zum Beispiel der Dichter Gotthold Ephraim Lessing während des Siebenjährigen Krieges Sekretär eines preußischen Generals und schrieb in dieser Zeit sein berühmtes Lustspiel Minna von Barnhelm . In seinen anderen Schriften und vor allem in dem Stück Nathan der Weise trat Lessing für einen vernünftigen, toleranten und humanen Umgang aller Menschen miteinander ein. Und niemand in Preußen hinderte ihn daran, am wenigsten der König.
Wo liegt Deutschland?
Seit dem Frieden von Hubertusburg herrschte auf dem Boden des Deutschen Reiches tatsächlich Frieden. Mit 30 Jahren war es eine der längsten Friedensperioden in der deutschen Geschichte. Kunst, Kultur und Wissenschaften blühten auf. Schulen und Universitäten wurden gegründet. Goethe schrieb den Götz von Berlichin gen und Die Leiden des jungen Werther , Schiller Die Räuber und Don Carlos .
In diesen langen Friedensjahren setzte auch eine breite Diskussion darüber ein, was denn Deutschland überhaupt sei und wo es liege. Das habsburgische Österreich war nicht Deutschland, das hohenzollerische Preußen ebenfalls nicht. Beide wollten auch nicht zusammengehen. Deswegen entstand sogar die Idee, zwischen den beiden Großmächten ein drittes Deutschland aus den mittleren und kleinen deutschen Ländern zu schaffen. Aber die mehr als 300 Fürsten waren viel zu sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht und untereinander zerstritten; die Idee blieb schon im Ansatz stecken. Überhaupt hatten die meisten Fürsten und Politiker kein großes Interesse an Deutschland.
Der Wunsch nach einer deutschen Nation, nach einem Vaterland für alle Deutschen, kam hauptsächlich von
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