Deutsche Geschichte
sowie 350 Reichsritterschaften von der politischen Landkarte. Drei Millionen Menschen wechselten ihre Herren. Die Hauptgewinner waren Baden, Württemberg und Bayern, deren Länder sehr viel größer wurden.
Als es 1805 wieder zu einem Krieg zwischen Frankreich und Österreich kam, standen die deutschen Fürsten dazwischen. Der württembergische Kurfürst klagte: »Ich muss Partei ergreifen entweder gegen Frankreich, das heißt mich von Truppen überschwemmt und feindlich behandelt sehen drei Tage nach dieser Erklärung, oder ich muss mich mit Frankreich verbünden gegen den Kaiser, das Reichsoberhaupt.«
Er entschied sich wie viele deutsche Fürsten für Napoleon, der inzwischen Kaiser der Franzosen war. Nach dem Sieg wurden sie fürstlich entlohnt. Napoleon machte Bayern und Württemberg zu Königreichen, Baden zum Großherzogtum. Und wieder war er seinem Ziel, das alte deutsche Kaiserreich zu zerstören, einen großen Schritt näher gekommen. Schon ein Jahr später hatte er es erreicht. 16 süd- und westdeutsche Länder gründeten in Paris den Rheinbund unter Führung Napoleons und erklärten ihren Austritt aus dem Reichsverband. Daraufhin legte Franz II. die Kaiserkrone nieder. Die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war zu Ende.
Deutschland wird »französisch«
Viele Menschen in Deutschland empfingen Napoleon durchaus mit Sympathie. Sie hofften, er werde die Errungenschaften der Französischen Revolution, vor allem Freiheit und Gleichheit bringen. Und anfangs sah es auch so aus, als würden diese Hoffnungen wenigstens zum Teil erfüllt. Die französischen »Satellitenstaaten« erhielten neue Verfassungen, in denen die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz festgeschrieben war. Die Adelsprivilegien wurden weitgehend abgeschafft, die Bauern aus ihrer Abhängigkeit befreit und rechtlich den anderen Bürgern gleichgestellt.
Die Gewerbefreiheit wurde eingeführt. Der Staat übernahm die Aufsicht über Schulen und Kirchen und garantierte die Religionsfreiheit. Das neue Zivilgesetzbuch, der »Code Civil«, sollte auf der Grundlage der Rechtsgleichheit das Zusammenleben der Bürger regeln. Das alles waren wichtige Verbesserungen, aber von der politischen Mitbestimmung blieben die Bürger ausgeschlossen, denn ein vom Volk gewähltes Parlament gab es nicht.
Immer mehr deutsche Staaten schlossen sich dem Rheinbund an und wurden »französisch«. Schließlich standen nur noch Preußen und Österreich außerhalb. Aber auch sie gerieten in Zugzwang. »Wir müssen reformieren, um nicht zu revolutionieren, zu jenem helfe, vor diesem schütze Gott«, beschrieb ein preußischer Beamter die Lage.
Die Freiherren vom Stein und von Hardenberg wurden zu den wichtigsten Reformern in Preußen. Dabei orientierten sie sich in vielem an Frankreich: Die Bauern wurden persönlich frei und konnten ihren Beruf frei wählen; der Adel verlor seine Privilegien; die Bürger in den Städten erhielten das Recht, einen Stadtrat zu wählen, der die Stadt verwaltete; Juden wurden den anderen Staatsbürgern gleichgestellt; der mittelalterliche Zunftzwang wurde aufgehoben und die Gewerbefreiheit eingeführt; das veraltete Heer wurde modernisiert, die Prügelstrafe abgeschafft; Wilhelm von Humboldt reformierte die Bildung und das Schulwesen.
Ziel all dieser Reformen war, aus den preußischen Untertanen selbstständig denkende Bürger zu machen, die verantwortungsbewusst im Staat mitarbeiteten. Am Ende sollte eine Volksvertretung stehen, die dem König gleichberechtigt gegenübertrat.
Diese Reformen gingen dem österreichischen Herrscher viel zu weit. Er und seine Regierung ließen allenfalls ein paar »Reförmchen« zu. Wirklich reformiert wie Preußen wurde Österreich nicht.
Die Deutschen befreien sich von Napoleon
Schon bald regte sich Opposition gegen die französische Dominanz in Deutschland, die von vielen als Besatzung empfunden wurde. Auch die Unterwürfigkeit ihrer Regierungen gegenüber Napoleon fanden immer mehr Bürger beschämend und unwürdig.
Der Philosoph Johann Gottlieb Fichte forderte seine Landsleute in den Reden an die deutsche Nation auf, sich »Charakter anzuschaffen« und wieder Deutsche zu werden. »Lassen wir nur nicht mit unserm Körper zugleich auch unsern Geist niedergebeugt und unterworfen und in die Gefangenschaft gebracht werden!«
Der Historiker und Schriftsteller Ernst Moritz Arndt ging noch weiter und schrieb vom »Hass gegen die Franzosen«, der nötig sei, um die Freiheit wieder zu
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