Deutsche Geschichte
der adlig-bürgerlichen Bildungsschicht. »Dichter und Denker« schufen eine deutsche Nationalliteratur in einer einheitlichen deutschen Sprache; in ihren Köpfen enstand zuerst die Vorstellung von einer deutschen Nation. Was diese Nation zusammenhalten sollte, waren vor allem ihre Sprache und Kultur. Wenn dieses Denken und Hoffen überhaupt mit einer Person verbunden wurde, war es Friedrich der Große – obwohl er die französische Sprache und Literatur viel mehr liebte als die deutsche.
Für die weitere deutsche Geschichte war es von großer Bedeutung, dass sich das aufkeimende Nationalbewusstsein gerade mit dem preußischen König verknüpfte. Denn damit deutete sich bereits an, wie die Lösung der deutschen Frage einmal aussehen könnte: ein vereinigtes Deutschland, geführt von Preußen, ohne Österreich. Aber bis dahin war noch ein weiter Weg.
Ein Franzose ordnet Deutschland neu
Während die deutschen Dichter und Denker noch über den richtigen Weg zu einer deutschen Nation philosophierten, wurde in anderen Ländern gehandelt.
In Amerika verkündeten die 13 Kolonien am 4. Juli 1776 ihre Unabhängigkeit von England. In der Unabhängigkeitserklärung wurden zum ersten Mal die Menschenrechte und die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Volk formuliert:
»Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind; dass dazu Leben, Freiheit und Streben nach Glück gehören; dass zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingerichtet werden, die ihre rechtmäßige Macht aus der Zustimmung der Regierten herleiten; dass, wenn irgendeine Regierungsform sich für diese Zwecke als schädlich erweist, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen und sie auf solchen Grundsätzen aufzubauen und ihre Gewalten in der Form zu organisieren, wie es zur Gewährleistung ihrer Sicherheit und ihres Glückes geboten zu sein scheint.«
In Europa dauerte es noch 13 Jahre, bis diese Aufklärungsgedanken zur Verfassungsgrundlage eines Staates wurden: Am 14. Juli 1789 begann mit dem Sturm auf die Bastille, das Staatsgefängnis in Paris, die Französische Revolution. Bereits am 26. August wurden die Menschen- und Bürgerrechte verkündet:
Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geb oren und bleiben es.
Das Ziel jeder staatlichen Vereinigung ist die Bewahrung der natürlichen und unantastbaren Rechte der Menschen. Dies sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung.
Der Ursprung jeder Herrschaft liegt seinem Wesen nach beim Volk.
Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet.
Das Gesetz darf nur Handlungen verfolgen, die schädlich für die Gesellschaft sind. Was nicht gesetzlich verboten ist, darf nicht behindert, was nicht gesetzlich geboten ist, nicht erzwungen werden.
Die Französische Revolution wurde von der deutschen Geisteswelt freudig begrüßt. Diese Freude schlug aber in Entsetzen um, als die Revolution blutig wurde und massenweise Köpfe rollten. Das hatte mit Vernunft und Aufklärung nichts zu tun.
Die europäischen Großmächte schauten den Ereignissen in Frankreich nicht lange tatenlos zu. Von 1792 an kämpften sie in wechselnden Koalitionen gegen Frankreich. Zum einen, weil sie verhindern wollten, dass sich die revolutionären Ideen in Europa ausbreiteten; zum andern, weil sie, wie immer bei Kriegen, auf lohnende Beute hofften. Doch diese Hoffnung täuschte gewaltig. Frankreich war viel stärker als erwartet. Und im Verlauf der verschiedenen Kriege trat ein Mann immer mehr in den Vordergrund: Napoleon Bonaparte. Er wurde der mächtigste Herrscher in Europa und veränderte Deutschland in 20 Jahren mehr als alle deutschen Kaiser und Könige in 200 Jahren zuvor.
Nach den militärischen Erfolgen Frankreichs erkannten die Kriegsgegner 1801 den Rhein als Grenze zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich an. Doch damit war Napoleon noch nicht zufrieden. Er wollte zwischen seinem Land und Österreich »Pufferstaaten«. Sie sollten zu schwach sein, um Frankreich anzugreifen, aber stark genug, um Frankreich gegen Österreich zu helfen. Deswegen ordnete er Deutschland neu. Die geistlichen Herrschaftsgebiete wurden säkularisiert, das heißt an weltliche Fürsten übergeben. Dabei verschwanden insgesamt 112 Reichsbistümer, Reichsabteien und Reichsstädte
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