Deutsche Geschichte
Kursstürzen die Weltwirtschaftskrise. Ausländische Banken forderten die sofortige Rückzahlung ihrer Kredite samt Zinsen. Das führte in Deutschland rasch zu einer Verknappung des Geldes, die Produktion stockte, der Wirtschaftsaufschwung wurde jäh unterbrochen, die Arbeitslosigkeit nahm zu – und mit ihr die Zahl der Anhänger und Wähler radikaler Parteien. Sie boten den Leuten für die immer komplizierter werdenden Probleme einfache Lösungen an:
Für die Kommunisten war die Wirtschaftskrise die logische Konsequenz des kapitalistischen Wirtschaftssystems, das darum abgeschafft werden müsse. Sie verwiesen auf die Sowjetunion, wo angeblich nicht mehr profitgierige Kapitalisten die Produktion bestimmten, sondern die Bedürfnisse der Menschen.
Für die Nationalsozialisten, die »Nazis«, wie man inzwischen auch sagte, mussten »das internationale Finanzjudentum« ausgeschaltet und »die dreißig Parteien aus dem Reichstag hinausgefegt« werden, dann konnte es mit Deutschland wieder aufwärts gehen.
Vor allem die einfachen Parolen von Adolf Hitler und sein klares Feindbild – »Die Juden und die Kommunisten sind an allem schuld!« – kamen bei den Unzufriedenen und Verunsicherten gut an. So wurde Hitlers NSDAP bei den Wahlen am 31. Juli 1932 mit 37,3 % der Stimmen zur stärksten Partei im Reichstag. Die KPD erhielt 14,2 % und war damit drittstärkste Partei. Beide bekämpften sich nicht nur im Reichstag, sondern auch in Straßen- und Saalschlachten.
Zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten standen die immer schwächer werdenden staatstragenden Parteien – der Reichstag war nicht mehr in der Lage, eine Regierung zu bilden. In solchen Krisenzeiten wurde der Reichspräsident zum wichtigsten Mann der deutschen Politik. Das war seit Friedrich Eberts Tod der Weltkriegsgeneral Paul von Hindenburg, ein alter Mann, der in dieser Rolle völlig überfordert war und die Entscheidungen weitgehend seinem Sohn und seinen alten Kameraden überließ. Die glaubten, den kleinen Weltkriegsgefreiten Hitler in Schach halten und für sich benützen zu können. Aber das Spiel lief gerade umgekehrt – und auf Hitler zu.
Hindenburg sträubte sich zuerst: »Sie werden mir doch nicht zutrauen, meine Herren, dass ich diesen österreichischen Gefreiten zum Reichskanzler berufe«, sagte er noch am 27. Januar 1933. Doch schon drei Tage später gab er seinen Beratern nach. Formal fand am 30. Januar 1933 nicht mehr als ein Regierungswechsel statt, tatsächlich bedeutete die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler das Ende der Weimarer Republik.
Wer drückt wen in die Ecke?
Franz von Papen, der als enger Vertrauter Hindenburgs mitverantwortlich für die Ernennung Hitlers war und selbst Vizekanzler wurde, sagte zu Kritikern seiner Politik: »In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht.«
Das war einer der folgenschwersten Irrtümer in der deutschen Geschichte. Aber am 30. Januar 1933 konnte sich noch niemand vorstellen, was in und mit Deutschland passieren würde.
Dabei hatte Hitler nie ein Geheimnis aus seinen Vorstellungen und Zielen gemacht. In seinem Buch Mein Kampf und in unzähligen Reden ließ er keine Zweifel daran, worum es ihm ging: die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie; den Aufbau des Staates nach dem Führerprinzip; die Ausrottung »minderwertiger Rassen«, insbesondere des Judentums; die Vernichtung des Bolschewismus/Marxismus/Kommunismus; die Eroberung von »Lebensraum« im Osten für das deutsche »Herrenvolk«. Viele hielten das für Wortradikalismus und glaubten nicht, dass Hitler alles ernst meinte, was er sagte und schrieb. Aber er meinte alles ernst, todernst. In einem von niemandem für möglich gehaltenen Tempo veränderte Deutschland innerhalb weniger Monate sein Gesicht.
Nach dem 30. Januar 1933 beherrschten Hitlers Parteitruppen SA und SS die Straße. Politische Gegner wurden verfolgt, verprügelt und getötet. Erste Lager entstanden, in denen willkürlich festgenommene Männer und Frauen eingesperrt und gequält wurden.
Am 17. Februar wies Hitlers Parteifreund Hermann Göring als neuer preußischer Innenminister die Polizei an, Ausschreitungen von SA und SS nicht zu verfolgen, gegen Aktionen anderer Parteien aber rücksichtslos vorzugehen, notfalls auch mit Schusswaffen.
Am 27. Februar brannte der Reichstag. Hitler und Göring ließen sofort verkünden, die KPD habe den Brand als »Aufruf zu einem kommunistischen Umsturz« gelegt. Am nächsten Tag unterzeichnete
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