Deutsche Geschichte
sich jetzt am liebsten seinem eigentlichen Ziel, der »Eroberung von Lebensraum im Osten« zugewandt. Aber weil der neue englische Premierminister Winston Churchill ein Friedensangebot zurückwies, wollte Hitler England rasch in die Knie zwingen. Am 13. August 1940 begann die »Luftschlacht über England«. Doch entgegen allen Erwartungen von deutscher Seite gelang es nicht, den englischen Widerstandswillen zu brechen und die Lufthoheit über England zu erringen. Darum ließ Hitler die Angriffe im Frühjahr 1941 einstellen und das »Unternehmen Barbarossa«, den Krieg gegen die Sowjetunion, vorbereiten – trotz des bestehenden Nichtangriffspaktes.
Im Morgengrauen des 22. Juni 1941 überschritten mehr als 3 Millionen Soldaten die Grenze zum sowjetischen Reich. Sie rückten rasch vor und alles schien auf einen erneuten schnellen Sieg hinzudeuten. Im September wurde Kiew erobert, Leningrad eingeschlossen und deutsche Truppen näherten sich Moskau. Am 2. Oktober gab Hitler den Befehl, Leningrad und Moskau dem Erdboden gleichzumachen, selbst wenn die beiden Millionenstädte kapitulieren sollten. Dieser Befehl verstieß gegen alle Konventionen der Kriegsführung und hätte einen beispiellosen Massenmord an der Zivilbevölkerung bedeutet – wenn nicht der Mitte Oktober verfrüht einsetzende, außergewöhnlich harte Winter den Russen zu Hilfe gekommen wäre. Auf so einen russischen Winter war die deutsche Wehrmacht nicht vorbereitet. Ebenso wenig auf die ungeahnten russischen Fähigkeiten, die gigantischen Verluste an Menschen und Material zu verkraften und immer neue Armeen aufzustellen.
Hitlers Plan war fehlgeschlagen. Zwar konnten deutsche Truppen im Sommer 1942 noch einmal bis Stalingrad vorrücken, aber der zweite russische Winter brachte endgültig die Wende. Die 6. Armee bei Stalingrad kapitulierte vor der sowjetischen Übermacht.
Inzwischen waren auch die USA aktiv in die Kriegshandlungen eingetreten und bombardierten zusammen mit englischen Flugzeugen immer häufiger deutsche Städte. Zu dieser Zeit lud Propagandaminister Goebbels Parteimitglieder zu einer Massenkundgebung in den Berliner Sportpalast und fragte die Menge: »Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt noch vorstellen können?«
Die Menge antwortete mit begeistertem »Ja!«. Und sie bekamen den totalen Krieg, an dessen Ende in vielen deutschen Städten nur noch Ruinen standen.
Dieser schrecklichste Krieg der Weltgeschichte forderte 55 Millionen Menschenleben. Viele Millionen hatten zwar ihr Leben behalten, aber ihren Besitz und ihre Heimat verloren. Das Leid und Elend war unbeschreiblich.
Im Frühjahr 1945 war das Deutsche Reich vollständig von Truppen der Kriegsgegner besetzt. Am 8. Mai kapitulierte es bedingungslos; den Nationalstaat der Deutschen gab es nicht mehr.
Adolf Hitler hatte wenige Tage vor Kriegsende Selbstmord begangen. Seine Abschiedsworte waren: »Das deutsche Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrig bleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen!«
Auch Goebbels beging Selbstmord. Die anderen führenden Männer des Dritten Reiches wurden von den Siegermächten vor ein internationales Militärgericht gestellt. Zwölf der »Hauptkriegsverbrecher« verurteilte das Gericht im »Nürnberger Prozess« von 1945/46 zum Tode, andere zu langen Gefängnisstrafen. Bereut haben von ihnen nur wenige.
Was soll aus Deutschland werden?
Dem totalen Krieg folgte der totale Zusammenbruch. Die Deutschen standen vor einem riesigen Trümmerhaufen und dem völligen Neuanfang in der »Stunde Null«. Nicht nur die Städte lagen in Schutt und Asche, auch Überzeugungen, Wünsche, Hoffnungen und Träume waren zerbrochen – und mit ihnen viele Menschen. Der junge, vom Krieg schwer gezeichnete Dichter Wolfgang Borchert hat davon in seinem Heimkehrerstück Draußen vor der Tür auf beeindruckende Weise erzählt.
Dem Kampf an den Fronten folgte nun der Kampf ums Überleben in den Ruinen. Da viele Männer gefallen oder in Kriegsgefangenschaft waren, mussten die »Trümmerfrauen« die Hauptlast dieses Überlebenskampfes tragen. Vor allem in den zerbombten Großstädten leisteten sie in den ersten Nachkriegsjahren beinahe Übermenschliches.
Die Masse der Bevölkerung hatte nicht genug zu essen und war unterernährt. Was man mit Lebensmittelkarten bekam, war zum
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