Deutsche Geschichte
erkannte den Juden die deutsche Staatsbürgerschaft ab; das »Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« verbot Eheschließungen und außereheliche Beziehungen zwischen Nichtjuden und Juden.
Etwa 130000 Juden waren bereits ausgewandert, als am 9. November 1938 überall in Deutschland die Synagogen in Brand gesetzt wurden. In dieser so genannten »Reichskristallnacht« demolierten und plünderten SA- und SS-Männer jüdische Geschäfte und Häuser. 91 Juden wurden ermordet, etwa 30000 von der »Gestapo«, der Geheimen Staatspolizei, verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Dort mussten sie schwer arbeiten, bekamen wenig zu essen und wurden brutal misshandelt. Die Folge war, dass viele an Erschöpfung starben.
Nach der »Reichskristallnacht« verließen noch einmal 80000 Juden das Land. Wer als deutscher Jude immer noch in seiner Heimat bleiben wollte, musste weitere Demütigungen hinnehmen, wurde aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen und seines Eigentums beraubt. All das geschah keineswegs geheim, sondern vor den Augen der Öffentlichkeit.
Von 1941 an war die Drangsalierung der Juden in Deutschland offensichtlich im wahrsten Sinne des Wortes: Nun mussten sie, wie seit 1939 schon die Juden im besetzten Polen, einen gelben Stern auf der linken Brustseite ihrer Kleidung tragen.
Nach dem Überfall auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs begann die von Hitler immer wieder angekündigte »Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa«, der »Holocaust«. Anfangs wurden die polnischen Juden noch in Gettos gepfercht, aber schon bald begannen die Einsatztruppen der SS mit Massenerschießungen. Auch im Russlandfeldzug folgten diese Mordkommandos den Soldaten der Wehrmacht und töteten die in den eroberten Gebieten lebenden Juden. Aber Massenerschießungen waren den Verantwortlichen bald nicht mehr effektiv genug. Darum trafen sich am 20. Januar 1942 hohe Verwaltungsbeamte und SS-Führer in Berlin, um geeignete Maßnahmen für das zu beschließen, was man die »Endlösung der Judenfrage« nannte. Wer das Protokoll dieser »Wannsee-Konferenz« liest, hat nicht den Eindruck, als sei es da um Menschen gegangen. 11 Millionen europäische Juden sollten »erfasst« und, so heißt es in dem Protokoll weiter, »… in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen …, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen«. Für diese »Sonderbehandlung« wurden neue große Lager mit einer ausreichenden Vernichtungskapazität geplant. Der einzige Zweck dieser Vernichtungslager war die Ermordung von Menschen und die Beseitigung ihrer Leichname.
In der Weltgeschichte hat es zu allen Zeiten große Verbrechen gegeben. Aber die Errichtung von Todesfabriken, in denen Angehörige einer Religionsgemeinschaft systematisch umgebracht wurden, ist mit nichts zu vergleichen. Allein im Konzentrationslager Auschwitz wurden 5 000 bis 6 000 Menschen pro Tag vergast und verbrannt. Insgesamt wurden bis zum Kriegsende etwa 6 Millionen Juden ermordet. Viele jüdische Frauen und Männer wollten selbst dann noch nicht glauben, was da geschah, als sie vor den als Duschräumen getarnten Gaskammern standen. Es war unbegreiflich – und ist es bis heute geblieben.
Was aber haben die anderen, nichtjüdischen Menschen überall in Deutschland vom Holocaust gewusst? Das ist eine Frage, über die bis heute gestritten wird. Sicher ist, dass Hitler viele »willige Helfer« fand, sonst hätte die Maschinerie der Massenvernichtung nicht funktionieren können. Und sicher ist auch, dass niemandem in Deutschland verborgen bleiben konnte, wie die jüdischen Mitbürger, aber auch andere von den Nationalsozialisten Verfolgte wie Sinti und Roma oder Homosexuelle erst schikaniert, dann ausgegrenzt und schließlich »abgeholt« wurden. Jedermann wusste, dass es Konzentrationslager gab und dass Menschen, die dort eingesperrt wurden, nichts Gutes zu erwarten hatten. Viele wussten, dass in den Konzentrationslagern systematisch gemordet wurde, und manche haben das später auch zugegeben; andere müssen es gewusst haben, auch wenn sie es nicht zugeben wollten. Viele Menschen in Deutschland aber konnten sich einen organisierten Massenmord wohl auch einfach nicht vorstellen.
Nicht vergessen sollte man in diesem schrecklichsten Kapitel der deutschen
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