Deutsche Geschichte
die westdeutsche Politik in den Anfangsjahren eindeutig dominierte, sprach man bald von einer »Kanzlerdemokratie«. Und die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hatte gar nichts gegen einen starken Kanzler – zumal sein Weg der richtige zu sein schien.
Im März 1950 konnte endlich die Lebensmittelrationierung aufgehoben werden; von da an ging es beständig bergauf. Die großzügige amerikanische Unterstützung verschaffte der westdeutschen Wirtschaft einen kräftigen Wachstumsschub. An Stelle der zerstörten oder demontierten Fabriken entstanden modernste Produktionsanlagen, in denen immer mehr Menschen Arbeit fanden. Waren »Made in Western Germany« wurden dank ihrer Qualität bald überall geschätzt und gekauft.
Vielen Menschen im In- und Ausland schien dieser rasante Aufstieg aus den Ruinen wie ein Wunder. Und zum »Wirtschaftswunder« kam 1954 noch ein »Fußballwunder»: Die deutsche Fußballnationalmannschaft gewann in Bern gegen den hohen Favoriten Ungarn 3:2 und wurde damit Weltmeister. Das war Balsam auf die Seelen der Deutschen. Der Satz »Wir sind wieder wer!« machte die Runde und brachte die sich ändernde Stimmung auf den Punkt. Als Vater des »Fußballwunders« wurde der Bundestrainer Sepp Herberger gefeiert und verehrt. Als Vater des Wirtschaftswunders galt Ludwig Erhard, der schon vor der Gründung der Bundesrepublik das Konzept einer »Sozialen Marktwirtschaft« formuliert hatte: Die Wirtschaft sollte sich weit gehend frei entfalten können, aber in eine Gesellschaftspolitik eingebettet sein, die sozial Schwache schützen und letztlich »Wohlstand für alle« – so der Titel eines Buches von Ludwig Erhard und ein Wahlslogan der CDU – bringen sollte. Zwar brachte das Wirtschaftswunder nicht allen den gleichen Wohlstand, aber den meisten Bürgern der Bundesrepublik ging es – zumindest materiell – bald besser als je zuvor.
Der wirtschaftliche Aufstieg trug wesentlich zur politischen Stabilität der Bundesrepublik bei. Wurde Demokratie in der Weimarer Republik noch mit Niederlage und Massenarbeitslosigkeit gleichgesetzt, so bedeutete sie in der Bundesrepublik Erfolg und materielles Wohlergehen. Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte war Demokratie für die große Mehrheit der Menschen etwas Positives – auch wenn diese positive Sicht bei vielen vorwiegend materiell begründet war. Manche Kritiker nannten die Deutschen deshalb auch »Schönwetterdemokraten«. Das mag nicht ganz unzutreffend gewesen sein. Aber nach fast 200 Jahren preußisch-deutscher Untertanenmentalität und zwölf Jahren »Führer befiehl, wir folgen!« war wohl noch nicht mehr zu erwarten.
Die DDR mauert sich ein
Im zweiten deutschen Staat wählte die provisorische Volkskammer am 11. Oktober 1949 Wilhelm Pieck zum »Präsidenten der Republik« und einen Tag später Otto Grotewohl zum Ministerpräsidenten. Die tatsächliche Macht lag jedoch weder bei der Volkskammer noch bei der Regierung, sondern bei der SED und ihrem Generalsekretär Walter Ulbricht. Er hatte die SED seit 1948 nach den Prinzipien des »demokratischen Zentralismus« zu einer »Partei neuen Typs« durchorganisiert. Alle Entscheidungen der Parteispitze, des so genannten »Politbüros«, waren für alle unteren Ebenen absolut verbindlich. Innerparteiliche Willensbildung von unten nach oben war nicht vorgesehen.
Zwar existierten noch andere Parteien und Massenorganisationen wie der »Freie Deutsche Gewerkschaftsbund«, die »Freie Deutsche Jugend« oder der »Demokratische Frauenbund«, aber sie waren alle in der »Nationalen Front« zusammengeschlossen und standen unter SED- Kontrolle. Formal besaß die DDR wie die Bundesrepublik ein parlamentarisches System, in Wirklichkeit war sie ein Einparteienstaat. Zur Sicherung der SED-Herrschaft wurde 1950 das »Ministerium für Staatssicherheit« eingerichtet. Mit Hilfe von Spitzeln sollte die »Stasi« jede Opposition schon im Keim ersticken.
»Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen«, lautete der SED-Slogan. Danach mussten zuerst einmal Industrie, Banken, Versicherungen und Großgrundbesitz verstaatlicht werden. Die Produktion sollte nicht mehr von Kapitalinteressen bestimmt, sondern zentral geplant und gesteuert werden. 1950 gab es den ersten »Fünfjahresplan« in der DDR. Er legte fest, was wo in welchen Mengen produziert werden sollte. Auch Arbeitszeiten, Löhne und Preise bestimmte der Plan. Die »Volkseigenen Betriebe« (VEB) mussten die Pläne nur noch erfüllen – was allerdings
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