Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Falle eines Gelingens sich gleichfalls auf die freiheitliche Seite stellen würden, die aber bei der noch schwebenden Unsicherheit nichts wagen wollten, ja, man hat vielfach und wiederholt hehauptet, daß der König von Würtemberg der ganzen Sache nicht fremd gewesen und daß Koseritz nicht ohne Vorwissen des Königs das Militär bearbeitet habe. So viel steht wohl fest, daß die unglücklichen, jungen Leute, die Studenten und Bürgerssöhne, die später so schwer für Alles büßen mußten, jetzt und auch in den folgenden Jahren, mehr oder weniger vorgeschoben und benutzt wurden; nur heimlich durften sie mit solchen Männern verkehren, auf die sie ihre Hoffnung einer Mitwirkung gesetzt hatten, während sich Jene wohl hüteten von ihnen gekannt zu sein, oder sie zu kennen. –
So schwach nun auch die Aussicht war, irgend etwas Entscheidendes zu erringen, faßte man endlich doch den unsinnigen Plan, den Weg der Revolution zu betreten, in dem thörichten Wahne, daß es nur eines Funkens bedürfe, um alsobald, wie man es in Frankreich gesehen, den Aufruhr an allen Orten hervorzurufen. Die positiven Mittel, welche den Verschwörern zu Gebote standen, reducirten sich auf Waffen und Munition für einige hundert Mann, die
Bunsen
in Frankfurt bereit hatte; des Weiteren zählte man auf Hülfe der polnischen Flüchtlinge, die von Frankreich her die Gränze überschreiten und den Schwarzwald insurgiren sollten, und gleichzeitig war eine neue Erhebung in Polen selbst geplant. Man kam dahin überein, nicht den Fürsten, sondern jenem Institut, das dieselben repräsentirte, dem
Bundestag
zuerst den Krieg zu erklären, sich durch einen Handstreich, natürlich immer unter der Voraussetzung, daß sich die Bevölkerung augenblicklich anschließen werde, in den Besitz
Frankfurt's
zu setzen, den Bundestag zu sprengen, die Gesandten gefangen zu nehmen, und sich der Bundeskasse zu bemächtigen. Am selben Tage sollte Koseritz in
Ludwigsburg
losschlagen, und – wenn beide Anschläge gelangen – zweifelte man gar nicht an einer augenblicklichen Erhebung von ganz Süddeutschland. Die Verabredungen zwischen Frankfurt und Ludwigsburg, wie auch die mit den Polen in Frankreich, waren aber so unsicher getroffen, daß am Ende jede Parthei für sich allein handelte, natürlich ohne den mindesten Erfolg.
Es war am Abend des 3. April 1833 als dann wirklich jenes unglückliche Frankfurter Attentat in Scene gesetzt wurde, welches so viele tüchtige junge Männer auf Lebenszeit unglücklich machte, in so vielen Familien langjährigen Schmerz und Trauer erzeugen sollte. Schon an den Tagen zuvor kam der Zuzug von Studenten der verschiedenen Hochschulen, die sich bei dem Aufstand betheiligen wollten, in Frankfurt oder in der nächsten Umgebung an. Am Abend des 3. April wurden sie in drei Haufen getheilt, empfingen Waffen bei Bunsen, oder auch in anderen Depots und dann wurde gegen halb 10 Uhr der Anschlag gleichzeitig gegen die Hauptwache, die Constablerwache – an beiden Orten suchte man die wenigen Linientruppen, die Frankfurt damals aufzuweisen hatte, zu überrumpeln – und gegen das Bundespalais auf der Eschenheimergasse, ausgeführt.
Rauschenplath, Gärth
und ein
polnischer
Officier führten die drei verschiedenen Trupps, während
Bunsen
mit einigen Genossen nach dem Dome zog, wo sie die Thürmerin zwangen die Sturmglocke zu läuten. Unter den verschiedensten Rufen, wie: »Es lebe die Freiheit! Freiheit und Gleichheit! Fürsten zum Land hinaus! Revolution! Republik!« und dergleichen, wurden die verabredeten Pläne ausgeführt, mehrere Posten niedergestoßen und die Soldaten, wie auch die Vorübergehenden aufgefordert, sich der Bewegung anzuschließen. Der Haupttumult fand statt auf dem Roßmarkt und die Zeile herunter: das Theater war eben zu Ende, die Leute gingen nach Hause, ganz erstaunt und verwundert über den ungewöhnlichen Lärm auf der Straße. Daß er eine Revolution bedeuten solle, ahnte Niemand; hie und da nahm wohl ein Vorübergehender eine ihm dargebotene Waffe an, die Meisten lachten. Unterdessen zog eine Abtheilung Frankfurter Militär über den Roßmarkt nach der Hauptwache zu, besetzte dieselbe wieder, und ein Gleiches geschah auf der Constablerwache, wobei einige Studenten verwundet und gefangen genommen wurden. Kaum eine halbe Stunde währte der Lärm, dann war Alles, was man in kindischem Unverstand unternommen hatte, zu Ende, und die Betheiligten suchten sich durch die Flucht oder das Aufsuchen von Verstecken zu retten.
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