Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
Vom Netzwerk:
entspringen konnte, um auf dem freien Boden der Schweiz, in Zürich die Geschichte der Entwickelung seines Vaterlandes weiter zu verfolgen und für seine Grundsätze wirken zu können, während um den gastfreien Heerd des trefflichen Paares sich mehr und mehr die Flüchtlinge aus der Heimath sammelten, welche ein günstiges Geschick der furchtbaren Inquisition entzogen, die bald schwerer und schwerer auf der deutschen, namentlich aber auf der hessischen Jugend lasten sollte.
    Weniger glücklich als Schulz erging es dem Pfarrer Weidig, den man beschuldigte, die Herzen der jungen Leute – er war gleichzeitig ein hochverehrter Lehrer – vergiftet und überdem um das Frankfurter Attentat gewußt zu haben. Während er in der Untersuchungshaft schmachtete, vollendete sich in der neugewählten hessischen Kammer der Sieg der ministeriellen Parthei über die liberale. Heinrich v. Gagern trat aus derselben aus und schickte dem Großherzog seinen Kammerherrnschlüssel zurück; die vorher schon genannten Beamten, die tüchtigsten des Landes, blieben ihrer Stellen entsetzt, und mit rücksichtsloser Härte pensionirte oder benachtheiligte man die Väter und Verwandten jener verblendeten jungen Männer, welche nun abermals die geheimen Verbindungen und Verabredungen getroffen hatten, deren Hauptstätte die Universität Gießen war. Dort erschien, auf einer geheimen Presse gedruckt und heimlich in großer Anzahl verbreitet, ein Blatt:
Der hessische Landbote
, das mit großer Schärfe und Rücksichtslosigkeit die deutschen und namentlich die hessischen Zustände, dabei die sociale Frage stark betonend, brandmarkte.
    Lange war es der Regierung unmöglich, der Urheberschaft und Verbreitung des Blattes auf die Spur zu kommen, bis feige Verrätherei, hervorgerufen durch die verwerflichsten Mittel, ihr die Wege zeigte. In Folge dessen wurde ein junger Student, Sohn des Präsidenten des Darmstädter Hofgerichts in dem Augenblicke gefangen genommen, als er eben wieder den »Landboten« ausstreuen wollte. Nun folgten sich die Verhaftungen Schlag auf Schlag, das Gefängniß in Friedberg, in welchem Weidig und noch Mehrere, die bei dem Frankfurter Attentat betheiligt gewesen, saßen, war überfüllt; man veranstaltete eine Uebersiedelung Aller nach Darmstadt, wo unterdessen ein neues Arresthaus war fertig geworden und damit füllte sich jetzt eines der dunkelsten Blätter der deutschen Geschichte aus den 30ger Jahren. Nirgends sonst gab sich, und man war doch schon hart genug, eine solche inquisitorische und grausame Verfolgungswuth, wie sie jetzt hier anbrach, kund. Mitten in der Nacht, weil man denn doch die Aufregung im Volke fürchtete, wurden achtbare Familienväter aus den Betten geholt und in das Gefängniß gebracht; in den meisten Fällen mußten sie schon bald wieder freigegeben werden, aber man stelle sich die Scenen des Schmerzes, der Verzweiflung in den Familien vor, die so hervorgerufen wurden. Fast jeder junge Mann stand unter polizeilicher Ueberwachung, und wo ein Verfolgter sich seinem Schicksale durch die Flucht entzog, wurde ihm ein entehrender Steckbrief nachgesendet. Keiner war sicher, ob er, schuldig oder unschuldig, sich noch am nächsten Tage in Freiheit befinden werde. –
    Ihren ergreifendsten Schlußakt sollte diese ganze Tragödie, die Deutschlands beste Jugendblüthe auf Jahre hinaus vernichtete, in Darmstadt finden. Das neue Arresthaus, seiner Natur nach doch dazu bestimmt, solche Gefangene aufzunehmen, deren Schuld noch gar nicht erwiesen war, zeigte sich als ein entsetzlicher Bau. Die Zellen der Gefangenen waren mit einer hellen Oelfarbe angestrichen und nur mit Oberlichtern versehen, so daß ein falsches, blendendes Licht beinahe jede Arbeit unmöglich machte und der Gefangene kaum einen Streifen des Himmels erblicken konnte. Da hinein wurden jetzt Weidig und die armen gefangenen Studenten, die unglücklichen Bürgerssöhne, gebracht, und immer wieder thaten diese Pforten, über denen unsichtbar Dante's Worte: Laßt jede Hoffnung fahren, die Ihr hier eingehet! geschrieben standen, sich auf, um noch nach Jahren neue Unglückliche einzulassen, Keinen wieder herauszuführen, wenn er nur einmal zu einem einfachen Verhöre eingeladen, es wagte, diese dunkle Schwelle zu überschreiten.
    Als Untersuchungsrichter wurde der frühere Universitätsrichter Georgi berufen, ein Mann, den die studirende Jugend schon lange seiner rohen Sitten und seiner Trunksucht halber verachtete. Dieser Mensch wüthete nun Jahre lang wie

Weitere Kostenlose Bücher