Deutsche Geschichte Von 1815-1870
in harten Conflict mit den Behörden. In Mannheim, wo das Buch erschienen war, wurde er vor Gericht gestellt und zu einer sechswöchentlichen Gefängnißstrafe verurtheilt, die er zu neuer schriftstellerischer Thätigkeit benutzte.
Nach einer achtjährigen fast riesenhaften Rührigkeit, verließ Gutzkow das Feld der Tagespolemik, auf dem er, sich stets einer Unzahl von Feinden erwehrend, unermüdlich fortgekämpft hatte, innerhalb der Politik, der Literatur und der Philosophie. Er wendete sich von da an rein künstlerischen Produktionen zu und wurde der Schöpfer des modernen Tendenzdrama, um jetzt auch von der Bühne herab die Interessen seiner Nation ganz ebenso lebhaft zu vertheidigen, wie er dies an anderer Stelle gethan. Auch hier wußte er sich dafür überall die passenden Stoffe zu entlehnen und nachdem er sein Ziel, die Bühne wieder zu einer höheren Bedeutung, zu einer Schule für das Volk zu erheben erreicht hatte, wandte seine Feder sich nach 1848 wieder dem Romane zu. Sein Streben ging jetzt dahin, dem verjüngten Deutschland ein Gemälde seiner Gegenwart zu entwerfen, in welcher noch so Vieles unklar durch einander wogte. So entstanden die
Ritter vom Geiste
und es war eine hochpoetische Idee des Dichters, das ideale Streben dieser
Ritter
, der Auserwählten der Nation, die sie einem höheren Ziele entgegen führen sollten, an die mittelalterlichen Missionen der Deutsch-Ritterschaft anzuknüpfen. Wie Jene mit dem Schwerte, so kämpfen diese modernen Ritter mit Waffen des Geistes für eine neue Größe, einen neuen Fortschritt des Vaterland's und dessen Schwerpunkt mußte unvermeidlich in jenem Preußen liegen, das die Deutsch-Ritter einst erstritten und das jetzt den größten deutschen und protestantischen Staat darstellt. – Diesem Zeitgemälde, welches also hauptsächlich den protestantischen Norden umschließt, stellte er, um das Gesammtbild Deutschlands zu vervollständigen, ein Zweites zur Seite:
Der Zauberer von Rom
, dessen Schauplatz im Süden und Westen unseres Vaterlandes liegt und der die Anschauungen und Triebfedern der katholischen Welt, die ja doch auch zu uns gehört, darlegt. Mit prophetischem Geiste hat er in diesem Werke auf eine Verjüngung des Papstthums hingedeutet, die sich wohl auch ohne Zweifel vollziehen muß, wenn dasselbe noch weiter fortbestehen soll.
Auch seinen späteren Romanen hat Gutzkow stets einen historischen Hintergrund gegeben, der in irgend einer Beziehung an unsere Gegenwart anknüpft; hochinteressant ist
Hohenschwangau
, das uns in lebendigster Weise in das Zeitalter der Reformation einführt.
Pestalozzi und seine Söhne
, ruft der Erinnerung eine der düstersten und noch unaufgehelltesten Geschichten des 19. Jahrhunderts, die von
Kaspar Hauser
, zurück und
Fritz Ellrodt
giebt uns ein tragikomisches Bild von den Zuständen tiefster Erbärmlichkeit, wie sie die Kleinstaaterei des 18. Jahrhunderts in Deutschland erschaffen hat.
Gutzkow ist kein leicht zu lesender Schriftsteller; Styl und Form lassen Manches zu wünschen übrig und man muß, um ihn ganz zu genießen und zu würdigen, historisches Verständniß besitzen. Wer sich aber dieses zu eigen gemacht, wird, namentlich im Hinblick auf unsere Zeit, sich durch seine Worte stets belehrt und zu einem lebhafteren Vaterlandsgefühl angeregt finden.
Zwölfte Vorlesung
Europäische Verhältnisse um 1840. Niklas Becker. Verbindungen zwischen Abgeordneten der verschiedenen Kammern. Gutenbergsfeste. Kölner Dombau. Thronwechsel in Preußen. Hoffnungen auf Friedrich Wilhelm IV. Einberufung der ostpreußischen Stände. Thronrede. Begünstigung der Rückschrittsmänner und des Pietismus in Preußen. Schön's: Woher und Wohin? Johann Jacoby's: Vier Fragen. Ausstellung des heiligen Rockes in Trier. Johannes Ronge. Der Deutsch-Katholicismus. Weigerung des Königs von Preußen eine Verfassung zu geben. Herwegh's Brief an ihn. Die schlesischen Weber. Steigende Unzufriedenheit in Preußen und Deutschland
Das Jahr 1840 schien ein Wendepunkt in den Geschicken der deutschen Nation werden zu wollen – wenigstens datirt von da an wieder eine freiere Bewegung der Geister. Die Zeiten der Verschwörungen und geheimen Gesellschaften waren vorüber; Brutus schliff den Dolch nicht mehr in finsterer Nacht, ein reifer gewordenes Geschlecht, vielfach bewegt und angeregt durch die neuere Richtung der Literatur, begann auf's Neue das Haupt zum offenen Widerstand zu erheben. Die Fortschritte des Zeitgeistes waren nicht mehr
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