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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Allianz nicht werde aufnehmen können; es mußte sich darum Verbündete in Deutschland zu erwerben suchen, die nur bei dem liberalen Theile der Bevölkerung zu finden waren.
    Er beschwor denn auch so glücklich das Gespenst einer deutschen Revolution und hülfreichen französischen Invasion herauf, daß Metternich und die preußischen Minister in Zittern und Beben geriethen. Jetzt appellirte man wieder von dort aus mit Pathos an das Nationalgefühl der Deutschen, jetzt ließ man der geknebelten Presse die Zügel schießen, um den patriotischen Geist wach zu rufen. Doch war dies kaum von Nöthen, denn auch ohnedem wendete sich die liberale Parthei in Deutschland von einem revolutionären Bündnisse mit Frankreich ab. Man wußte zu genau, was der endliche Kampfpreis einer französischen Hülfe sein würde. –
    Inmitten aller dieser Wirren hatte in
Preußen
im Juni 1840 der lang erwartete Thronwechsel stattgefunden. Friedrich Wilhelm IV., jetzt schon 45jährig, folgte seinem Vater auf den Thron und es knüpften sich wie immer bei solchen Ereignissen, die weitgehendsten Hoffnungen an diesen Wechsel. Der neue König war allsogleich von der Sorge für seine schönen bedrohten Rheinlande in Anspruch genommen; er konferirte mit Metternich wegen deren Schutz, man fing an gegen Frankreich zu rüsten und selbst in den Bundestag kam jetzt einiges militärische Leben. Bei dieser Gelegenheit fehlte es auch nicht an Stimmen, die wiederholt darauf hinwiesen, wie wenig man bisher gethan habe, dem Deutschen sein Vaterland, das er vielleicht wieder mit Gut und Blut werde vertheidigen müssen, lieb und werth zu machen und ihren gemeinsamen Ausdruck fanden endlich alle diese aufgeregten Gefühle durch den Mund eines anspruchlosen Dichters, der in der preußischen Rheinprovinz lebte.
    Niklas Becker
dichtete zur rechten Stunde, und dies war sein Hauptverdienst, das bekannte Lied: »Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein, ob sie wie gierige Raben, sich heiser darnach schrei'n!« u.s.w. Von Conradin Kreuzer in Musik gesetzt, wurde das Lied zum ersten Male in Köln im Theater gesungen, und von da machte es dann seine Runde durch alle Kehlen, die in Deutschland zu singen vermochten: es erklang in dem Salon wie der Kneipe, vom eleganten Flügel wie von der Drehorgel und that vollkommen seine Wirkung, denn es rief überall die höchste patriotische Begeisterung, die entschiedenste Opposition gegen Frankreich hervor! Mochten die Verse auch schwach sein, mochte der Spötter Heine auch später in seinem Wintermährchen den, seine Leiden aufzählenden Rhein, ausrufen lassen: »Bei Biebrich hab' ich Steine verschluckt, bei Gott, die schmeckten nicht lecker! noch schwerer liegen im Magen mir, die Verse von Niklas Becker!« es galt gleich, der Dichter hatte damit in's Schwarze getroffen. Sein Lied fand ein Echo in jeder deutschen Brust und erstaunt lauschten die Franzosen der »teutonischen Furie«, die da drüben, jenseits des grünen Stromes sich so laut kund gab. – Selbst die Fürsten schlossen sich dem allgemeinen Enthusiasmus an; der König von Preußen gab dem Dichter eine einträgliche Stelle und ein Ehrengeschenk von 1000 Thalern; der König von Bayern wollte nicht zurückbleiben und schickte ihm einen silbernen Becher, wozu Schwanthaler die Zeichnung entworfen hatte und den der König mit einem gnädigen Handschreiben begleitete. Nicht minder feierte ihn sein Volk; wo Becker hin kam, ehrte man ihn durch Fackelzüge, Festmahle und Ehrengeschenke von Frauen und Männern. Es war, als ob die ganze Nation sich selber zum Geburtstag oder zu Weihnachten bescheeren wollte, und uns, die wir heute die Früchte aller dieser Anfänge genießen, würde der bittere Spott, die diesen Demonstrationen bald darauf oft zu Theil wurde, schlecht anstehen; betrachten wir es als die kindlich naive Freude eines Volkes, das anfängt, sich wieder seiner selbst bewußt zu werden, nachdem man es Jahre lang auf's Aergste bedrückte. –
    Der Krieg mit Frankreich unterblieb, aber der wieder einmal geweckte Geist in Deutschland, der bei dieser Gelegenheit seine Wünsche offen und auf ungefährlichem Wege kundgegeben, blieb munter und auch jetzt wieder fehlte es nicht an freigesinnten Männern, die ihn so zu erhalten wußten, trotz der Noth, die auch ihnen daraus erwuchs. Man konnte es nicht mehr verhindern, daß sich allgemach eine offene Verbindung zwischen den Abgeordneten der einzelnen Ständekammern herstellte, in Folge deren sie unter sich

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