Deutsche Geschichte Von 1815-1870
zu hemmen, trotzdem wir gerade in jenen Jahren ein bedeutendes Wachsen der kirchlichen Reaction wahrnehmen, denn die schon erwähnte Ausbreitung der Jesuiten in Oestreich wie in Bayern, hatte eine erschreckende Höhe erreicht. Auch die große Politik trat jetzt wieder mehr in den Vordergrund und wir begegnen schlau angelegten Versuchen Rußland's, die Bewohner der deutschen Mittel- und Kleinstaaten unter seiner Aegide zu sammeln und ihnen zugleich begreiflich zu machen, wie eine Oberherrschaft Preußens oder Oestreichs ihnen gleich gefährlich werden müßte, während Rußland dagegen ihnen sichere Garantien ihrer Selbstständigkeit und Freiheit darbiete. Solche Vorstellungen verfingen nichts bei dem denkenden Mittelstande, um so mehr machte sich ihr Einfluß an den Höfen geltend, und es ist noch unvergessen, wie verhängnißvoll damals und noch später die russischen Gesandten in Deutschland, die spionirenden Staatsräthe und Attaché's über unseren heimischen Geschicken gewaltet haben. Sah man sich also nach dieser Seite hin vor, so wurde im Gegensatz ein etwaiger Schutz Frankreich's von den liberal Gesinnten ebensowenig gewünscht, selbst wenn Louis Philippe dies gewollt hätte, was er jedoch aus Unterwürfigkeit gegen die übrigen Großmächte gar nicht einmal im Sinne hatte. Dennoch sollte wieder der erste Anstoß zu einer nationalen Erhebung in Deutschland von Frankreich ausgehen, nur in anderem Geiste, als man es dort gerne gesehen hätte. – Der Tod des türkischen Sultan's, der dem Gelüste des Vicekönigs von Aegypten, des gefürchteten
Mehemet Ali
, beide Länder unter seiner Herrschaft zu verbinden, neue Nahrung gab, wurde der Anlaß zu einer neuen
Quadrupel-Allianz
zwischen
Preußen, Oestreich, England
und
Rußland
, die sich wiederum liebevoll des türkischen Reiches annehmen wollte. Rußland verzichtete in diesem Bund auf sein Recht, der alleinige Schützer und Schirmer der hohen Pforte zu sein, dagegen sollte kein fremdes Kriegsschiff mehr durch den Bosporus einlaufen dürfen, auch seine eigenen nicht, da aber der Russe die Küsten des schwarzen Meeres beherrschte, machte dies wenig Unterschied für ihn und blieb ihm doch so ziemlich die Gewalt dort, zu thun, was ihm beliebte. Ich erwähne diesen Umstand besonders darum, weil daraus später der Haupt-Kriegsfall für den entsetzlichen Krimkrieg erwuchs. – Eine zweite Absicht dieser Allianz war, Frankreich, welches man davon ausschloß, zu demüthigen, worauf sich denn dort augenblicklich ein furchtbares Kriegsgeschrei erhob und geflissentlich von Monsieur Thiers geschürt wurde, der seit dem 1. März 1840 Minister geworden war. Sein Ziel ging dahin, Frankreich wieder eine hervorragende Stellung auf der europäischen Weltbühne zu erobern, und so wie er die französische Gloire als ihr Geschichtschreiber verherrlicht hatte, so glaubte er, es sei an der Zeit, dieselbe jetzt wieder einmal aufzufrischen, den Ruhm und Heldensinn der Nation neu zu erwecken. Als ein anderes Mittel zu diesem Zwecke hatte er schon im Frühjahr desselben Jahres den König veranlaßt, Schiffe nach St. Helena zu senden, unter der Anführung des Prinzen von Joinville, um die Asche Napoleon's nach Paris zu führen; eine Handlung, welche in höchst unvorsichtiger Weise die Napoleoniden wieder in das Gedächtniß Frankreich's zurückrief. Begleitet von ungeheuren Festlichkeiten – Louis Philippe brauchte in der That bereits solche Mittel, um sich populär zu erhalten – wurden die Reste des großen Mannes gelandet und dann in feierlichem Zuge nach dem Dome der Invaliden gebracht, wo ein prachtvolles Mausoleum sie zur Beisetzung erwartete. Wie das Volk diesem Akte zugejubelt, so jubelte es auch jetzt mit Herzenslust einem neuen Kriege mit Deutschland entgegen, in der sicheren Hoffnung, das linke Rheinufer nun doch zu erobern und festzuhalten. Es war eben das unglückliche Loos Süddeutschlands, daß stets die kriegerischen Actionen, welche es selbst nicht im Mindesten angingen, auf seinem Boden nicht allein zuerst begannen, sondern es auch zuletzt gewöhnlich die Zeche bezahlen mußte. Doch dachte dieses Mal der König Frankreich's selbst nicht entfernt an einen wirklichen Krieg; es stand dabei, und er wußte dies, viel zu viel für ihn auf dem Spiele – sein Geld, sein Ansehen als
conservativer
Fürst inmitten der andern Fürsten, und vielleicht auch
seine Krone
. Sein heißblütiger Minister war sich nicht minder bewußt, daß Frankreich allein den Riesenkampf gegen die
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