Deutsche Geschichte Von 1815-1870
nicht das Mindeste mit einander gemein. Das französische Gespenst, der
Kommunismus
, begann nun allerdings sich auch bei uns in seiner kindlichsten und unverstandensten Form zu zeigen und fand leider in den bedrückten Fabrikbezirken und bei der steigenden Lebensnoth einen günstigen Boden. Fehljahre, Geschäftsstockungen, Ueberschwemmungen boten einander die Hand und machten sich doppelt fühlbar unter der Unzulänglichkeit der Verkehrswege, der daraus entspringenden Handelsstörungen, wie überhaupt der ganzen Verwaltung. Es konnte sich ja unter der schauderhaften Bevormundung nirgendwo etwas frei und ungehindert entfalten, und so stiegen immer schwärzere Wetterwolken am Himmel der Zukunft auf. In Preußen fing man jetzt an sich ganz hermetisch abzuschließen;
Itzstein
und
Hecker
, die badischen Abgeordneten, die in Berlin einen Freund besuchten, wurden als staatsgefährlich ausgewiesen, die
Bürgergesellschaft
, in der man sich über allgemeine Dinge unterhielt, aufgelöst. – Aber unverdrossen schrieb Jacoby sein Mene Mene-Tekel an die Wand des Belsazar, in Flugblättern und Schriften, die überall mit Begierde gelesen, ein tausendfaches Echo fanden und zugleich traten auf dem kirchlichen Gebiete gewappnete Geisteskämpen auf, die wie Spinnwebe die Eichhorn'schen Schleier, die er aus der Rumpelkammer des Mittelalters heraufgeholt, zerrissen – es waren
David Strauß, Ludwig Feuerbach
und
Bruno Bauer
.
Dreizehnte Vorlesung
Geistiges Leben in Deutschland. Strauß. Feuerbach. Bruno Bauer. Die politische Dichtung. Uhland. Sallet. Prutz. Hoffmann von Fallersleben. Dingelstedt. Herwegh. Freiligrath. Deutschkatholische Unruhen in Leipzig. Liberales Auftreten der badischen Kammer. Begründung der deutschen Zeitung. Versammlung der deutschen Germanisten. Offener Brief des Königs von Dänemark. Begeisterung für Schleswig-Holstein. Vereinigter Landtag in Berlin. Lola Montez
Wenn wir im Verlaufe der 20ger Jahre beobachtet haben, welch ein reiches, geistiges Leben sich in Frankreich in der letzten Zeit der Bourbonenherrschaft entwickelte und wie die wachsende Opposition daraus zumeist ihre Waffen schmiedete und ihre Nahrung schöpfte, so begegnen wir jetzt einem ähnlichen Verhältnisse in Deutschland. Trotz des politischen Druckes und der kirchlichen Reaction gab sich eine ungewöhnliche Regsamkeit auf wissenschaftlichen Gebieten und innerhalb der gelehrten Kreise kund.
Als besonders einflußreich auf diese erhöhte Thätigkeit zeigten sich die Lehren des berühmten Philosophen
Ludwig Hegel
, der seit einer Reihe von Jahren an der Berliner Universität wirkte und den 1831 die Cholera dahin gerafft hatte. Die Begriffe, welche er über die Auffassung von Staat und Christenthum philosophisch begründet hatte, wurden weniger durch ihn selbst als durch die Jünger seiner Schule, die sogenannten Junghegelianer, zur Anwendung auf die bestehenden Zustände gebracht und so erzeugte deren zersetzende Kraft einen gewissen revolutionären Geist, sogar innerhalb der gelehrten Welt.
Die
Humanitätsidee
, wie sie Herder zuerst in seinen »
Ideen zur Geschichte der Menschheit
« durchgeführt und dadurch das »Menschliche« wieder zur Geltung gebracht hatte, wurde nun weiter entwickelt und bezüglich der
Geschichte
vornehmlich an dem Prinzip einer
inneren
fortschreitenden Entwickelung festgehalten. Im zusammenhange damit wollte man denn auch, wie Herder es bereits angedeutet, in der Erscheinung des Christenthums nicht den Beginn einer vollständig neuen Zeit, einer besonderen
Offenbarung
, sondern nur eine der Phasen des allgemeinen menschlichen Fortschrittes erkennen. Hand in Hand mit solch einfacheren und naturgemäßeren Ansichten gingen die Resultate der neueren Naturforschung; indem dieselbe sich mehr und mehr auf ergründete Thatsachen stützen konnte, begann sie der dunklen und romantischen Naturphilosophie, wie sie
Schelling
, ohne sich um das wirkliche Wesen der natur zu bekümmern, in ein System gebracht hatte, den Krieg zu erklären.
Obgleich nun alle diese Dinge vorerst nur in streng gelehrten Kreisen verhandelt und auch nur in solchen verstanden wurden, sah man sie dennoch von Seiten eines Ministerium's Eichhorn und des ihm geistesverwandten Ministerium's
Abel
in München, sowie aller ihnen gleichdenkenden Geister, als höchst staatsgefährlich und kirchenfeindlich an, und die Polemik, die von oben her dagegen erhoben wurde, erweckte eigentlich zuerst das Interesse des gebildeten Publikums dafür, und
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