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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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zwar um so mehr, als die mittelalterlich-reactionären Zustände, wie ich sie vorhin geschildert, schon ohnehin den natürlichen Gegensatz eines freien Denkens hervorrufen mußten.
    Mit Begierde verschlang man jetzt die von
Arnold Ruge
und
Echtermeyer
herausgegebenen Halle'schen Jahrbücher, welche mit schlagenden Worten die politische und religiöse Reaction bekämpften, und das Vorrecht der freien Forschung und Kritik für alle Erzeugnisse der politischen, theologischen und literarischen Wissenschaften in Anspruch nahmen. Dieses Organ war seinerzeit von außerordentlichstem Einfluß und verbreitete in weiteren gebildeten Kreisen den Hauptinhalt der gelehrten Schriften, die sich in jener Epoche vorzugsweise mit der freieren theologischen Forschung beschäftigten.
    Es waren hauptsächlich zwei Männer, die auf diesem Gebiete eine breite Bahn des Fortschritts brechen sollten, ein Philosoph und ein Theologe,
Ludwig Feuerbach
und
David Strauß
. Ludwig Feuerbach, 1872 in Nürnberg verstorben, war ein Sohn des berühmten Rechtsgelehrten
Amselm Feuerbach
; er ließ ein philosophisches Werk: »
Ueber das Wesen des Christenthums
«, erscheinen, durch welches er allen damals herrschenden Ansichten auf's Schroffste entgegentrat. Er behauptete und führte seine Ansicht mit logischer Consequenz durch, daß die
Dogmen
, die Glaubenssätze, erst nach und nach, zufällig und willkührlich entstanden, und häufig mit dem eigentlichen Geiste des Christenthums ganz unvereinbar seien. Bei der damaligen Strömung der Zeit mußte dies Bekenntniß dem kühnen Philosophen seinen Lehrstuhl zu
Erlangen
kosten; es war um so anstößiger, als er bereits in einem früheren Werke über
Unsterblichkeit
nachzuweisen versuchte, daß Körper und Geist unzertrennlich aneinander gebunden seien und Eins mit dem Andern entstehe und zerfalle.
    Feuerbach
ging in seinen Auffassungen schon einen Schritt weiter, als seine hauptsächlichen Mitstreiter und Mitgenossen, die sich mehr vom theologischen und historischen als philosophischen Standpunkte aus mit der Kritik der Schriften des neuen Testamentes, den
Evangelien
und dem
Leben Jesu
beschäftigten. Zu Jenen, welche besonders thätig dafür waren, um darzuthun, wie die Evangelien nachweislich erst mehrere Jahrhunderte später entstanden seien, als ihre sogenannten Urheber gelebt, daß dieselben wohl theilweise auf älteren Handschriften beruhen mochten, aber zu noch größerem Theile frei erfundene, schriftstellerische Compositionen zu sein schienen, gehörte der bekannte
Bruno Bauer
, der denn auch in Folge seiner Kühnheit von
Bonn
, wo er sich als Docent habilitirt hatte, weggewiesen wurde und später als Schriftsteller in Berlin lebte. Bruno Bauer aber stand mit seinen Schriften schon auf den Schultern eines Größeren als er, des berühmten
David Strauß
, des Verfassers des »
Leben Jesu
«.
    Auch Strauß war Theologe und hatte seine Ausbildung als Zögling des Maulbronner Stiftes, einer Pflanzschule künftiger Theologen, empfangen. Diese Stifte oder Convicte sind eine Art von protestantischen Klöstern, wie sie sich in Würtemberg, wo man bekanntlich zur Zeit der Reformation die Formen und Benennungen der katholischen Kirche in den Protestantismus hinübernahm, mehrfach erhalten haben. Der orthodoxe Zuschnitt dieser Stifte, die indessen ihren Schülern eine gründliche wissenschaftliche Bildung vermitteln, mochte dazu beitragen, daß gerade sich in Würtemberg im Gegensatz dazu eine Schule aufgeklärter und freisinniger Theologen bildete, nach ihrem verehrten Haupte, die
Bauer'sche
Schule genannt, aus der eine Reihe berühmter und aufgeklärter Theologen hervorgegangen ist.
    Friedrich David Strauß war in Ludwigsburg am 27. Januar 1808 geboren und der junge Mann zog schnell aller Blicke auf sich, als 1835 sein Werk das »
Leben Jesu
« erschien. Es war bei seinem ersten Erscheinen ein streng gelehrtes Buch, in welchem der Verfasser mit unerschrockenem Muthe, und getragen von einem unerbittlichen, kritischen Scharfsinn, Allen den Fehdehandschuh hinwarf, welche sich immer noch bestrebten, die Gestalt von Jesus Christus trotz besserer Erkenntniß, wissenschaftlich in die Wolken einer Mystik einzuhüllen, die vor dem Geiste des Jahrhunderts keinen Bestand mehr haben konnte. Strauß bemühte sich darum Jesus wissenschaftlich so darzustellen, wie er nach seiner Annahme als Mensch unter den Menschen gewandelt und gelebt. Den frommen Glauben der Menge hatte er damit nicht angetastet; er sprach als Gelehrter

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